Bundeskanzler Werner Faymann gab der Sonntagskrone ein Interview

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Brüssel – Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ist offen dafür, über Anpassungen bei der heimischen Familienbeihilfe für EU-Ausländer zu sprechen: "Vorausgesetzt, der Vertrag tritt in Kraft, wenn die Briten bei der Volksabstimmung für den Verbleib in der EU stimmen, sollten wir uns zusammensetzen und darüber reden, was daraus auch für Österreich sinnvoll wäre", sagte er der "Kronen Zeitung".

Eine Arbeitsgruppe der zuständigen Ministerien diskutiert bereits seit einigen Wochen Möglichkeiten der Einschränkungen der Familienbeihilfe. Ergebnisse werden laut Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) im März erwartet.

Warten auf Briten-Referendum

Die weitere Vorgangsweise nach dem britischen Deal mit der EU sei im Beschluss der Staats- und Regierungschefs ganz klar festgelegt, erklärte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) in einer Aussendung. Wenn sich Großbritannien beim Referendum am 23. Juni gegen einen Verbleib in der Union ausspricht, komme das ganze Paket nicht, betonte Ostermayer. Falle die Entscheidung positiv aus, werde die Europäische Kommission die vereinbarten Vorschläge zur Änderung des Sekundärrechts der EU vorlegen.

Durch diese Vorgangsweise sei geklärt, dass Österreich genau prüfen könne, welche Schritte und Maßnahmen aus dem Paket in Österreich angewendet werden können und für welche Bereiche man die nötigen Schritte einleite, meinte Ostermayer.

In den Abschlussdokumenten sei auch bereits erklärt, wie die Anpassung der Familienbeihilfe vonstattengehen würde: Mitgliedsstaaten können demnach die Höhe von Leistungen für Kinder in einen anderen Mitgliedsstaat an die dortigen Bedingungen koppeln. Zunächst könnte das nur für Neuanträge gelten, ab 2020 auch für bestehende Ansprüche.

Auch Kurz für Kürzung

Auch Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) fordert angesichts der jüngsten Ergebnisse des EU-Gipfels auch in Österreich Anpassungen der Familienbeihilfe für EU-Ausländer. Auch sollten Ausländer für eine bestimmte Dauer keine Sozialhilfeleistungen wie die Mindestsicherung bekommen, bekräftigte Kurz über seinen Sprecher am Samstag.

Zugewanderte Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten sollen in Großbritannien künftig erst nach vier Jahren Anspruch auf volle Sozialleistungen haben. Der EU-Gipfel hatte am Freitagabend auf Drängen Großbritanniens außerdem beschlossen, dass EU-Staaten künftig nicht mehr verpflichtet sein sollen, Kindern von EU-Ausländern den vollen Familienbeihilfensatz zu zahlen, wenn diese in den Herkunftsländern leben.

Bereits im Sommer hatte Kurz seine Forderungen nach einer Anpassung der Familienbeihilfe auf das Niveau des Heimatlandes der Kinder sowie den temporären Ausschluss von ausländischen Arbeitnehmern von Sozialhilfeleistungen erhoben. Dementsprechend erfreut zeigte er sich am Samstag über die Ergebnisse des EU-Gipfels. Beides sei nun unter gewissen Voraussetzungen auch hierzulande möglich, und der Minister bleibe dabei, "dass wir das auch in Österreich umsetzen sollten", betonte sein Sprecher. Das Thema soll nun in der Regierung besprochen werden.

Ungarn vor der Slowakei

Österreich hat im Vorjahr 223 Mio. Euro Familienbeihilfe an im EU-Ausland lebende Kinder ausbezahlt, deren Eltern hierzulande arbeiten. 2013 waren es 207 Mio. Euro. Das geht aus einer Anfragebeantwortung des Finanzministeriums vom Herbst vergangenen Jahres hervor. Häufigstes Wohnsitzland der Kinder war Ungarn mit 7.744 Beziehern und ausbezahlten 72 Mio. Euro, dahinter folgten Kinder in der Slowakei, Polen, Deutschland, Slowenien und Tschechien.

FPÖ-Generalsekretär und Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky, sieht in einer "Kürzung bzw. überhaupt Streichung von Sozialleistungen für EU-Einwanderer ein geeignetes Instrument, Glücksritter und Wirtschaftsflüchtlinge von Österreich fernzuhalten". Er forderte in einer Aussendung angesichts der österreichischen "Hauptlast der Migrationsströme" einen "saftigen rot-weiß-rot-Rabatt sowie auch andere Besserstellungen für unser Land". Andernfalls will er ein Referendum über den Austritt Österreichs aus der EU, "quasi den Öxit", andenken.

Kritik an der Koppelung der Familien-Zahlungen an die Lebenshaltungskosten im Ausland kommt von den NEOS: "Immerhin zahlen EU-Ausländer in Großbritannien ihre Steuern und Beiträge und nicht in ihrem Herkunftsland", betonte EU-Abgeordnete Angelika Mlinar. "In Großbritannien arbeitenden und zahlenden EU-Ausländern für vier Jahre Sozialleistungen zu versagen, verstößt in unzulässiger Weise gegen das Diskriminierungsverbot, einem zentralen Grundpfeiler der europäischen Rechtsordnung." Großbritannien entferne sich weiter von einem vereinten Europa, meinte NEOS-Europasprecher Rainer Hable. (APA, 20.2.2016)