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Braut und Bräutigam bei einer Hindu-Hochzeit im pakistanischen Karachi.

Foto: REUTERS/Akhtar Soomro

Islamabad/Wien – Es dauerte zwanzig Minuten, bis die hunderten Angreifer die Türen eingetreten hatten. Der wütende Mob stürmte in das Innere des Hindutempels in der Provinz Sindh, im Süden Pakistans, und brannte ihn bis auf die Grundmauern nieder. Der Auslöser für die Gewalt im März 2014: Ein Hindu soll Seiten aus dem Koran gerissen und auf die Straße geworfen haben – im muslimischen Pakistan ein Grund für Ausschreitungen.

Die Spannungen zwischen den Muslimen und religiösen Minderheiten wie den Hindus gipfeln seit Jahren immer wieder in gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die internationale Gemeinschaft wirft der Regierung Pakistans vor, untätig zuzusehen. Vor allem in der Sindh-Provinz, wo die Mehrheit der drei Millionen Hindus des Landes lebt, entladen sich die Spannungen.

Die Regierung eben dieser Provinz leistete diese Woche aber Pionierarbeit und verabschiedete als erste Region des Landes ein Gesetz, das den Hindus das Recht gibt, ihre Ehen offiziell registrieren zu lassen. Die Nationalversammlung berät bereits über ein weitreichenderes Gesetz, das noch mehr Rechte im Zusammenhang mit der Ehe zwischen Hindus schützen soll. Darin enthalten sollen etwa Erbschaften, Scheidungen und Kindesunterhalt sein.

Probleme im Alltag

"Dieser Schritt läutet eine neue Ära im Umgang mit dem Hinduismus ein", zeigt sich der Generalsekretär des Pakistan Hindu Council, Deepak Kumar Bhagchandani, im Gespräch mit dem STANDARD erfreut. Es handle sich um ein gutes Gesetz und bringe den Hindus in Pakistan endlich Respekt entgegen. Die Ehen von Christen etwa sind im Gegensatz zu den Hindus durch Gesetze aus der Kolonialzeit geschützt.

Dass Ehen nicht registriert werden konnten, hatte weitreichende Folgen – vor allem für die Frauen. Sie konnten weder Reisepass noch Personalausweis ändern, hatten Probleme beim Eröffnen von Bankkonten und weniger Rechte, wenn der Mann starb. "Das Gesetz zu verabschieden ist das eine, doch der wahre Test wird sein, wie die Behörden es umsetzen werden", bemerkt Zohra Yusuf von der nationalen Menschenrechtskommission zur BBC.

Die zwölfte Klausel

Vor allem die zwölfte Klausel des Gesetzes wird von Hinduvertretern und Menschenrechtsaktivisten heftig kritisiert. Darin ist festgeschrieben, dass die registrierte Ehe sofort annulliert wird, wenn einer der Ehepartner zu einer anderen Religion konvertiert.

Ein gefährliches Schlupfloch, da Hindu-Frauen in den vergangenen Jahren vermehrt entführt und gezwungen worden sein sollen, zum Islam zu konvertieren, um schließlich eine Zwangsehe mit einem muslimischen Mann einzugehen. Die "Bewegung für Solidarität und Frieden" in Pakistan schätzt, dass jedes Jahr hunderte hinduistische und christliche Frauen von diesen Verbrechen betroffen sind. Die Täter werden oft von lokalen einflussreichen Personen beschützt, denen eine Nähe zu islamischen Schulen nachgesagt wird.

Antrag auf Novelle

"Die Klausel kann missbraucht werden, um verheiratete Hindu-Frauen dazu zu zwingen, zum Islam zu konvertieren, wie das bei jungen Mädchen gemacht wird, die entführt wurden", stellte der Abgeordnete der Muslimliga, Ramesh Kumar Vanwam, fest. Er will das junge Gesetz schnellstmöglich novellieren und die Klausel entfernen. Dafür bekam er auch die Unterstützung des Menschenrechtskomitees im Senat. Ein Senator nannte die Klausel "unterdrückerische" und sprach von einer "schweren Menschenrechtsverletzung" gegenüber den Hindus.

Diskriminierung und religiöse Verfolgung waren für viele Angehörige des Hinduismus in den vergangenen Jahren Gründe über die Grenze ins benachbarte Indien zu flüchten, wo die Mehrheit der Bewohner hinduistisch ist. Etwa 1200 Menschen sollen es in den vergangenen fünf Jahren gewesen sein. (Bianca Blei, 20.2.2016)