Überbelegung, Personalmangel, mangelnde Betreuungskonzepte, keine Supervision für Mitarbeiter: Das Behindertenheim Konradinum im Salzburger Eugendorf kommt nicht aus den Schlagzeilen.

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Salzburg – Die Vorwürfe sind schwerwiegend und ihre Liste ist lang: Im vom Land Salzburg geführten Konradinum – eine Wohn- und Tagesheimstätte für derzeit 34 schwerstbehinderte Menschen in Eugendorf (Flachgau) – sollen laut Volksanwaltschaft und der Bewohnervertretung vom Verein "VertretungsNetzwerk" die Betreuungs- und Pflegestandards schon lange nicht mehr der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Heimaufenthaltsgesetz entsprechen.

Konkret sprechen Volksanwaltschaft und Bewohnervertretung von starker Überbelegung mit Betten auf Gängen sowie von fehlender Geschlechtertrennung in Waschräumen und Toiletten. Vor allem aber werden die "unzulässigen Freiheitsbeschränkungen" mittels Medikamenten kritisiert. Auch die bauliche Situation sei sekundär behindernd: Die Bewohner könnten nicht eigenständig einen Raum verlassen. Entsprechende Gerichtsurteile seien vom Land ignoriert worden, sagt Volksanwalt Günther Kräuter.

Klargestellt haben Volksanwaltschaft und Bewohnervertretung in den letzten Tagen freilich auch, dass die Mitarbeiter der Einrichtung keine Schuld treffe. Die Einrichtung sei veraltet, sowohl baulich als auch von den Betreuungskonzepten.

Gegenvorwürfe des Landes

Gesundheitsreferent Christian Stöckl (ÖVP) ist für das Konradinum in der Landesregierung ressortzuständig. Er kündigte diese Woche einen Neubau des Behindertenheimes an – was wiederum Bewohnervertreter Erich Wahl nicht zufriedenstellt. Dass in den kommenden Jahren neu gebaut werde, ändere nichts daran, dass jetzt dort Menschen wohnten, denen adäquate Betreuung fehle.

Stöckl seinerseits attackiert die Volksanwaltschaft: Diese habe sich nicht selbst ein Bild von der Lage gemacht, sondern das Konradinum nur vom Papier aus beurteilt.

Fehlende Förderung und Pflege

Das wiederum lässt Reinhard Klaushofer vom Österreichischen Institut für Menschenrechte nicht gelten. Die Kommission der Volksanwaltschaft – diese wird von Klaushofer geleitet – habe das Heim zuletzt Ende Oktober besucht. "Die fachliche und inhaltliche Beurteilung ist absolut fundiert", betont Klaushofer im Standard-Gespräch. Und er habe sich sowohl mit Stöckl als auch mit Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) getroffen, um möglichst schnell Verbesserungen herbeizuführen. Der letzte Termin habe im Dezember stattgefunden.

Hauptsächlich beziehe sich die Kritik auf die fehlende individuelle Förderung und Pflege, daran ändere sich auch durch angekündigte bauliche Maßnahmen nichts. "Unsere Kritik bezieht sich auch nicht unmittelbar auf das Personal, sondern auf die systemischen Verhältnisse", bekräftigt Klaushofer. Es müssten individuelle heilpädagogische Förderpläne erstellt, eine entsprechende Tagesstruktur eingeführt und individuell auf die Menschen eingegangen werden, fasst Klaushofer die Forderungen zusammen.

Behindertengesetz von 1981

Übrigens: Der gesetzliche Rahmen, in dem sich die Betreuung behinderter Menschen abspielt, wartet in Salzburg seit Jahrzehnten auf eine Reform. Das Behindertengesetz stammt aus dem Jahr 1981. Bereits im Oktober 2011 wurde im Landtag einstimmig beschlossen, ein komplett neues Gesetz auszuarbeiten. Ein solches gibt es bis heute nicht. Als Zwischenschritt werde es aber eine Gesetzesnovelle geben, die seit Mittwoch in Begutachtung ist, sagt Schellhorn. Ein komplett neues Inklusionsgesetz sei aber laut dem Soziallandesrat nicht durchsetzbar, da Gemeinde- und Städtebund keine zusätzlichen Kosten tragen wollten. (Thomas Neuhold, Stefanie Ruep, 20.2.2016)