Der österreichische Gehörlosenbund kämpft für die Anerkennung der österreichischen Gebärdensprache als Muttersprache gehörloser Kinder, denen dann auch gesetzlich verankerter Unterricht in Gebärdensprache ermöglicht werden müsse.

Helene Jarmer ist Behindertensprecherin der Grünen und Präsidentin des österreichischen Gehörlosenbundes. Die Gebärde, die sie macht, bedeutet "Parlament".

Foto: Heribert Corn

Wien – Es gibt in Österreich eine Gruppe von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache, die im Schulbereich systematisch vernachlässigt wird: gehörlose Kinder, von denen es rund 1000 bis 2000 gibt, dazu weitere 10.000 bis 20.000 mit gehörlosen Eltern(teilen). Ihre Muttersprache ist die Gebärdensprache, die sie von klein auf über das Auge erwerben – so wie hörende Kinder die deutsche Lautsprache über das Hören. Die deutsche Sprache müssen sich Gehörlose und Hörgeschädigte systematisch wie eine Fremd- oder Zweitsprache aneignen.

Verankert in der Verfassung

In einem Umfeld, das die grüne Behindertensprecherin Helene Jarmer anlässlich des internationalen Tags der Muttersprache am Sonntag (21. Februar) scharf kritisiert: "Noch immer haben gehörlose Kinder kein Recht auf Unterricht in ihrer eigenen Muttersprache. Die meisten von ihnen werden nach Sonderschullehrplan unterrichtet." Dabei ist die Gebärdensprache seit 2005 in der Verfassung als eigene Sprache verankert und auch in der von Österreich ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention explizit erwähnt.

Lehrerinnen und Lehrer, die gehörlose Kinder unterrichten, müssen jedoch nicht die österreichische Gebärdensprache (ÖGS) beherrschen. In der Lehrerausbildung ist sie nicht verpflichtend, und Interessierte, die die ÖGS lernen wollen, müssen das in ihrer Freizeit tun und selber zahlen.

Skandalöser Umgang

Für Jarmer, auch Präsidentin des österreichischen Gehörlosenbundes, ein "Skandal", sagte sie zum STANDARD: "Man kann nicht einfach ohne Kenntnisse der österreichischen Gebärdensprache in einer Klasse mit gehörlosen Kindern stehen und sich von den Kindern ein paar Gebärden zeigen lassen." Weder gebe es in Österreich ein eigenes Unterrichtsfach Gebärdensprache (so wie für Englisch oder Französisch) noch ordentliche Unterrichtsmaterialien für gehörlose Kinder.

In Deutschland gibt es etwa an der Humboldt-Uni zu Berlin ein Lehramtsstudium für Sonderpädagogik mit Gebärdensprachpädagogik oder ein Bachelorstudium "Deaf Studies" (Sprache und Kultur der Gehörlosengemeinschaft). (Lisa Nimmervoll, 20.2.2016)