Was tun, wenn Ärger oder Eifersucht hochkochen? Am besten aus der Situation herausgehen – um dann geordnet wieder ins Büro zurückkehren und seinen Standpunkt sachlich darlegen zu können.

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Ursula Wawrzinek ist Unternehmensberaterin, Expertin für strategische Konfliktlösung und Buchautorin.

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STANDARD: Studien zeigen, dass Chefs rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit dem Lösen von Konflikten verbringen: Warum wird im Büro so viel gestritten?

Wawrzinek: Erstens, weil wir uns unsere Kollegen und Chefs nicht aussuchen können. Und vielleicht sind es Menschen, mit denen wir einfach nicht so gut klarkommen. Zweitens ist die Arbeit ein wichtiger Teil unseres Lebens. Wir verbringen viel Zeit dort und können uns dort unserer Stärken vergewissern: fühlen uns gebraucht, bekommen Bestätigung. Wenn etwas schiefläuft, sind wir daher umso enttäuschter. Wir meinen dann, alles zu geben, aber es wird einfach nicht geschätzt.

STANDARD: Auch privat ist man manchmal enttäuscht oder fühlt sich nicht ausreichend wertgeschätzt. Auch seine Familie kann man sich nicht aussuchen. Was unterscheidet dennoch berufliche von privaten Konflikten?

Wawrzinek: Im Privaten ist es zunächst eine freie Entscheidung, ob man einen Konflikt lösen möchte. Man kann sagen: Da will ich mich jetzt nicht drum kümmern und dann tut man es auch nicht. Im Job ist es aber ein Muss, dafür zu sorgen, dass die Zusammenarbeit funktioniert. Außerdem kann man im Privaten eher zeigen, wie man sich fühlt: Schreien, sich zurückziehen, beleidigte Leberwurst oder sturer Esel spielen. Umgekehrt kann man sich auch auf vielfältige Weise wieder versöhnen. Im Job ist man Träger einer Funktion, da geht das nicht.

STANDARD: Was kann man also tun, um sich zu einigen? Sie sagen, Ansprechen ist gar nicht immer die beste Lösung?

Wawrzinek: Fürs Ansprechen sollte man sich nur dann entscheiden, wenn man seine Arbeit sonst nicht mehr erfolgreich erledigen kann. Und dann gilt es, den richtigen Ton zu treffen. Das heißt, Respekt und Wertschätzung dem anderen gegenüber zu bewahren, sachlich zu bleiben, Gefühle bestmöglich im Griff zu haben. Wenn der Kollege einfach nur nervt, weil er immer zu spät kommt oder die ganze Zeit nur auf Facebook ist, sollte man sich unbedingt raushalten. Der Grund: Den Kollegen zu beurteilen und zu korrigieren – das ist die Aufgabe des Chefs und ihm allein vorbehalten. Wichtig, um Konflikten beizukommen, sind also gewisse Soft Skills, Konfliktfähigkeit, emotionale Intelligenz. Am Besten nimmt man schwierigen Kollegen gegenüber eine freundliche Distanz ein und behandelt sie wie einen schwierigen Kunden. Das kann gelingen, indem man sich bewusst macht: Das ist kein Freund, das ist nur ein Kollege. Ich muss mich mit dem gar nicht verstehen.

STANDARD: Sie empfehlen also kurz gesagt, die eigenen Erwartungen herunterzuschrauben?

Wawrzinek: Genau. Eine Firma ist eine Firma und kein Mensch. Und man geht mit ihr keine Beziehung ein, sondern ein Arbeitsverhältnis.

STANDARD: Glauben Sie, dass diese Einstellung jüngeren Generationen, denen ja nachgesagt wird, eine geringere Bindung zu einem Arbeitgeber zu haben, leichter fällt?

Wawrzinek: Interessante Frage. Ich denke, dass manche Probleme nicht mehr so ausgeprägt sein werden. Zum Beispiel diese starke Verletztheit, weil man so sehr an seiner Firma hängt. Ich beobachte aber, dass diese Generation neue Konflikte führt. Nämlich welche, die aus ihrer Unkonventionalität resultieren. Junge sind meist per Du, gehen schnell Freundschaften am Arbeitsplatz ein – so zerstreiten sie sich leichter. Mit der Freiheit, in der Pause im Gemeinschaftsraum kickern oder Homeoffice machen zu können, muss man erst umgehen lernen. Auch das kann Unmut untereinander schaffen, wie ich in meinen Beratungen häufig erlebe.

STANDARD: Was gilt, wenn kurzfristig Emotionen hochkochen?

Wawrzinek: Wenn man merkt, dass einem gleich der Gaul durchgeht, sollte man die Situation verlassen. So kann man erst mal Dampf ablassen. Das sollte außerhalb der Arbeit geschehen, zum Beispiel im Gespräch mit Freunden oder am Boxsack. So kann man sortiert ins Büro zurückkehren und sachlich seinen Standpunkt deutlich machen. Klar, ein paar Emotionen schaden nie. Gefährlich sind die zerstörerischen, die Menschen Papierkörbe durchs Büro schmeißen lassen. Das Problem daran: Man kann es nicht mehr gutmachen, das Image ist dahin.

STANDARD: Wann ist der Zeitpunkt gekommen, wo Gräben zu tief werden und man weiterdenken sollte?

Wawrzinek: Wenn man alles ausprobiert, professionelle Hilfe in Anspruch genommen hat, sich nichts ändert und man es nicht akzeptieren kann. Und vor allem, wenn man merkt, dass einem das schadet. Dann spätestens sollte man wechseln.

STANDARD: Ist die Vorstellung, dass alles woanders besser wird, nicht nur eine Illusion?

Wawrzinek: Man muss davon ausgehen, dass man dieselben Probleme auch beim nächsten Arbeitgeber vorfindet. Denn in vielen Firmen ist es momentan aufgrund der wirtschaftlichen Situation schwierig. Außerdem nimmt man seine Schwächen mit und wird wieder die gleichen Konflikte produzieren. Da wären wir also wieder dabei, dass die Arbeit an sich selbst und den eigenen Emotionen das Wichtigste ist. (Lisa Breit, 20.02.2016)