"Zuerst hatten wir kein Glück, dann kam noch das Pech dazu." Mit diesem Satz hat der Fußballer Jürgen Wegmann nach einem missglückten Spiel einst deutsche Bundesligageschichte geschrieben.

An dieser Formulierung der Verzweiflung schienen sich Europas Regierungschefs bei ihrem jüngsten Treffen zu orientieren. Wieder einmal wollten sie sich dort möglichen Lösungen in der dahinschlitternden Migrationspolitik zuwenden: zum wievielten Mal eigentlich seit dem Explodieren der Zahl der Flüchtlinge, die seit Sommer von der Türkei über Griechenland auf Unionsgebiet kommen?

Aber wieder einmal war klar, dass es zwischen den zerstrittenen, weil von unlauteren Motiven getriebenen Staatschefs kein Weiterkommen gab. Das stellte niemand Geringerer als der Chef der Gemeinschaftsbehörde, Jean-Claude Juncker, zu Beginn in einer Dezidiertheit fest, die selbst europäisch gesinnte Bürger langsam zur Verzweiflung bringt.

Worauf will man warten? Zugegeben: Diesmal hatten die "Chefs" kein Glück. Hätten Terroristen nicht in Ankara eine Bombe gezündet, hätte der türkische Regierungschef Ahmet Davutoğlu seine Reise zu Verhandlungen nach Brüssel nicht absagen müssen. Er ist (neben Präsident Tayyip Erdoğan) die Schlüsselperson, die dafür sorgen kann, den Flüchtlingsstrom an EU-Außengrenzen nach Monaten illegaler Massenzuwanderung in ein einigermaßen geordnetes System zu bringen.

Die Vorbereitungen dazu waren weit und gut gediehen. Und auch die österreichische Regierung, die innenpolitisch wegen der hohen Flüchtlingszahlen zunehmend unter Druck steht, hat sich als Vermittler dabei verdient gemacht. Aber es sollte eben nicht sein. So ist das nun einmal. Europa grenzt im Osten und im Süden an Krisenregionen und Kriegsgebiete, die ein "Spielen auf Abwarten" – wie beim schlechten Fußball – bei brennenden Problemen nicht erlaubt. Die EU-Regierungschefs präsentieren sich derzeit, als seien sie von allen guten Geistern verlassen. Nicht nur in der Flüchtlingskrise.

Während in der Ukraine gerade die politische Führung komplett ausein anderbricht und Chaos droht, verlieren sie sich stundenlang in Details über Sonderwünsche der Briten. Die Ukraine, das ist jenes Land, dessentwegen die Union mit Russland in einer gefährlichen Konfrontation steht. Die Sanktionen gegen Moskau wurden gerade verlängert. Beim Gipfel? Eher ein Randthema. Angesichts solcher Gegner darf Wladimir Putin sich ins Fäustchen lachen. Er eskaliert gerade die militärische Lage in Syrien.

Aber auch dazu haben die EU-Regierungschefs nicht viel zu sagen. Die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, die es noch nie ganz gab, liegt in Scherben. Und wenn man weltpolitisch grad Pech und auch kein Glück hat, geht es auch noch schlimmer. Das bewies Jean-Claude Juncker, der just zum Auftakt des Treffens einen Streit mit der österreichischen Regierung wegen Limits für Asylwerber in Österreich vom Zaun brach. Sein Innenkommissar wies Wien barsch auch darauf hin, dass die Weiterleitung Tausender nach Deutschland illegal sei. Will Juncker, dass Tausende täglich im kleinen Österreich ankommen und bleiben? Oder alle auf den Balkan zurückgeschickt werden? Es mag juristisch begründet sein, dazu eine Prüfung vorzunehmen. Aber politisch und praktisch war’s ein Eigentor der Kommission zur falschen Zeit. Sie verliert in Wien gerade einen Verbündeten. (Thomas Mayer, 18.2.2016)