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Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will den Wechsel des Studienorts erleichtert.

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Das Wissenschaftsministerium sieht ein "fragmentiertes Studienangebot" in Österreich.

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Wien – Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will die Zahl der Studierenden an Fachhochschulen erhöhen. Derzeit besuchen 13 Prozent der Studierenden eine FH, in der Schweiz liege der Wert bei 38 Prozent, in Bayern bei 34 Prozent. In Österreich drängen also wesentlich mehr Studierende an die Universitäten. "Wir haben dort daher eine schlechtere Situation", sagte Mitterlehner bei einer Pressekonferenz am Montag.

Neben dem Ausbau von FH-Studienplätzen sollen Universitäten und Fachhochschulen künftig auch gemeinsame Studien anbieten können, schlägt der Wissenschaftsminister vor. Zudem sollen "wirtschaftsnahe Studienfächer" wie Betriebswirtschaftslehre verstärkt von Fachhochschulen angeboten werden. Die Lehre an den Unis würde so entlastet, diese könnten sich wieder stärker der Forschung widmen.

Keine Fusionen

Neben einer stärkeren Kooperation von Fachhochschulen und Universitäten schweben dem Wissenschaftsminister auch ein "Fächerabgleich" und eine strategische Neuausrichtung des gesamten Hochschulsektors vor. Der neue Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Antonio Loprieno, hatte kürzlich Universitätsfusionen angeregt. So weit, eine der 21 Universitäten mit einer anderen zusammenzulegen, will Mitterlehner nicht gehen, aber eine verstärkte Kooperation sei notwendig. "Es ist Unsinn, dass ich, wenn ich in Innsbruck Medizin studiere, nicht parallel dazu oder in der Folge einen Teil in Wien machen kann. Jeder macht sein eigenes Curriculum."

"Leisten uns Luxusfächer"

Bis 2017 soll deshalb das Projekt "Zukunft Hochschule" entwickelt werden. Vorgesehen sind Profilschärfung, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, mehr Effizienz und Durchlässigkeit im gesamten Hochschulsystem. Das "fragmentiere Studienangebot" soll überwunden und gemeinsame Studienangebote erleichtert werden, heißt es in einer Unterlage des Wissenschaftsministeriums. "Wir leisten uns Luxusfächer", sagt Mitterlehner. So hätten die 20 am wenigsten nachgefragten Uni-Studien nur 229 Anfänger, die 20 beliebtesten hingegen 40.700.

Mit dem Wissenschaftsrat arbeitet das Wissenschaftsministerium deshalb an einem Prozess, an dessen Ende Forschungsschwerpunkte an Universitäten und FHs stehen sollen.

Die fünf Aktionsfelder sind:

  • Abgleich des Studienangebots zwischen den Hochschulen und Weiterentwicklung des Fachhochschulsektors,
  • Abstimmung von Forschung und Lehrer bei Life Sciences vor allem im Großraum Wien,
  • Kooperation und Abgleich bei Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften,
  • Fokus auf Informatik und
  • Durchlässigkeit innerhalb und zwischen den Hochschulsektoren.

Seit 2002 sind die österreichischen Universitäten autonom. Mitterlehner kann ihnen die Kooperation untereinander sowie mit den FHs also nicht auferlegen. Der Wissenschaftsminister will deshalb bei den Budgetverhandlungen für die Jahre 2019 bis 2021 finanzielle Anreize dafür schaffen. Falls sich die Universitäten darauf nicht einlassen, könne am Ende aber durchaus ein neues Gesetz beschlossen werden.

"Im Sinne des Steuerzahlers"

Den Grund für den Fächerabgleich sieht Mitterlehner auch darin, dass vor der Studienplatzfinanzierung – die 485 Millionen Euro zusätzlich kosten würde – sichergestellt wird, dass nicht "mehr desselben produziert" werde. Davor seien Verbesserungen möglich. "Auch im Sinne des Steuerzahlers."

Dem Wissenschaftsminister ist bewusst, dass seine Pläne vor allem bei den Universitäten nicht nur auf Begeisterung stoßen werden. "Es werden liebgewordene Tätigkeiten verloren und Machtbereiche verschoben." Gleichzeitig beruhigt Mitterlehner aber auch. Die Entlassung der Universitäten in die Autonomie sei die richtige Entscheidung gewesen. "Wir brauchen aber auch Steuerungsinstrumente." Es gehe jedenfalls nicht darum, die Zahl der Universitäten zu reduzieren.

Positive Reaktionen von Unis und FHs

Sonja Hammerschmid, Präsidentin der Universitätenkonferenz (uniko) reagierte in einer Presseaussendung positiv auf die Ankündigungen Mitterlehners. "Das Thema Fächerabgleich zwischen den Universitäten habe ich bereits in meiner Neujahrsrede angekündigt", sagte sie in einer Aussendung. Die Universitätenkonferenz werde sich in den kommenden Monaten mit dieser Frage ausführlich auseinandersetzen.

Auch die Fachhochschulkonferenz will sich konstruktiv am Prozess beteiligen. Der Abgleich des Studienangebots zwischen Universitäten und Fachhochschulen stelle neben der Verbesserung der Durchlässigkeit ein zentrales Anliegen der Fachhochschulen dar, hieß es in einer Aussendung.

Helmut Holzinger, Präsident der Fachhochschulkonferenz, verweist im STANDARD-Gespräch darauf, dass sich bereits jetzt drei Mal so viele Interessenten für einen FH-Studienplatz bewerben, als Plätze zur Verfügung stehen. "Die Studienplätze müssen also ausgebaut werden, sonst kann das nicht funktionieren." Dafür ist Mitterlehner selbst zuständig.

Die Industriellenvereinigung begrüßt das Vorhaben Mitterlehners ebenfalls. Insbesondere beim Zusammenspiel zwischen Fachhochschulen und Universitäten, sei Verbesserungspotenzial vorhanden, sagte Generalsekretär Christoph Neumayer. "Vor allem die mangelnde Durchlässigkeit erschwert die Mobilität der Studierenden."

Grüne skeptisch

Die Wissenschaftssprecherin der Grünen, Sigrid Maurer, hält es grundsätzlich für "sinnvoll", Studienangebote zwischen Standorten und Hochschulen abzugleichen. Sie erinnerte in einer Aussendung am Montag allerdings an zahlreiche folgenlos gebliebene Strategieprozesse, Hochschuldialoge sowie Ratsempfehlungen und warnte davor, dass "das nächste Papier für die Schublade produziert" werde.

Für Maurer ist eine Verlagerung von Studenten an die Fachhochschulen "nicht zum Nulltarif zu haben": "Egal an welcher Hochschule studiert wird, Studienplätze müssen ausreichend finanziert werden." Keinesfalls dürften im Zuge der angestrebten Verlagerung die Budgets der chronisch unterfinanzierten Unis zugunsten der FH gekürzt werden.

Die Neos wiederholten in einer Reaktion ihre Forderung nach einer "echten" Studienplatzfinanzierung. "Eine Analyse der Ist-Situation und ein Abgleich der Studienangebote sind natürlich begrüßenswert. Für eine den finanziellen Gegebenheiten angepasste strategische Planung muss aber das Modell der Studienplatzfinanzierung bereits mitgedacht werden", sagte Wissenschaftssprecherin Claudia Gamon. (Lisa Kogelnik, 15.2.2016)