"Grenzmanagement" in Spiefeld auf österreichischer Seite der Grenze.

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Ljubljana – Slowenien wird die Einreise von Flüchtlingen ab sofort begrenzen. Das teilte das slowenische Innenministerium am Sonntag mit und erklärte, es geschehe mit Blick auf einen von Österreich angekündigten gleichen Schritt. Kroatien sei über die Pläne informiert worden, hieß es aus dem slowenischen Innenministerium. Nähere Angaben machte die Regierung zunächst nicht.

Laut dem slowenischen Fernsehen sollen ab Montag weniger Flüchtlinge einreisen dürfen, sodass täglich nur noch tausend Menschen die Grenze nach Österreich passieren würden. Österreich werde demnach Wirtschaftsflüchtlingen an der Grenze den Übertritt verweigern, betroffen seien die Kärntner Grenzübergänge Lavamünd, Bleiburg und Karawankentunnel. Auch das kroatische Staatsfernsehen berichtete über anstehende verschärfte Grenzkontrollen in Österreich "in dieser Woche".

Ein Sprecher des österreichischen Innenministeriums sagte auf Anfrage des STANDARD, dass man das Vorhaben Sloweniens und die kolportierten Maßnahmen Österreichs, auf die sich Slowenien beruft, derzeit "nicht erläutern" könne.

Weitere Pläne präsentiert

Am Dienstag sollen jedenfalls weitere Pläne zur Sicherung der Südgrenze präsentiert werden. "Es wird Schritt für Schritt die Bremse eingelegt", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die sich gemeinsam mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Dienstag ein Bild vom neuen "Grenzmanagement" im steirischen Spielfeld machen will.

"Der Dominoeffekt entlang der Balkanroute entwickelt sich planmäßig", sagte die Innenministerin über die bisherigen Maßnahmen. Man müsse zum Kern des Asylrechts zurückkommen. "Was wir derzeit erleben, hat ja nur wenig mit Schutzsuche zu tun, sondern mit der Suche nach dem wirtschaftlich attraktivsten Land." Es sei wichtig, dass jedes Land schrittweise seine Gangart an der Grenze verschärft – "und dass wir das abgestimmt machen. Dabei ist es einsatztaktisch von wesentlicher Bedeutung, dass die einzelnen Verschärfungen zum richtigen Zeitpunkt kommuniziert werden", so Mikl-Leitner.

Auch Serbien droht mit Grenzschließung

Unterdessen drohte auch Serbiens Außenminister Ivica Dačić, die Grenzen zu schließen. Serbien sehe sich dazu gezwungen, sollten auch andere Staaten entlang der Flüchtlingsroute das tun. "Wir sind besorgt wegen einer fehlenden einheitlichen Politik der Europäischen Union", sagte Dačić am Montag.

Wenn nach der Ankündigung Österreichs, heuer nur 37.500 Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, auch Slowenien und Kroatien nachziehen, wäre Serbien gezwungen, seine Grenzen ebenfalls zu schließen. "Wir haben keine Möglichkeit, so viele Menschen bei uns aufzunehmen", erklärte er.

Italien gegen Grenzschließungen

Wenig von Grenzschließungen hält Italiens Außenminister Paolo Gentiloni. Er warnte vor negativen Auswirkungen solcher Entscheidungen einzelner EU-Mitgliedsstaaten: "Einseitige Beschlüsse einzelner EU-Länder würden in Europa einen schweren Schaden anrichten", sagte Gentiloni nach Angaben italienischer Medien. "Man kann gemeinsam über Kontrollen und über die Notwendigkeit diskutieren, diesen oder jenen Aspekt des europäischen Sicherheitssystems zu stärken. Einseitige Beschlüsse würden jedoch die Stabilität des gemeinsamen europäischen Gebäudes gefährden, an dem wir jahrzehntelang gebaut haben."

Konflikt zwischen Frankreich und Deutschland

Der Schritt Sloweniens fällt in die Woche des Nato-Einsatzes gegen Schlepper in der Ägäis und eines EU-Gipfels, in dessen Vorfeld es bereits zu Widersprüchen zwischen Frankreich und Deutschland gekommen ist. Der französische Premier Manuel Valls lehnt eine Aufnahme weiterer Flüchtlinge kategorisch ab. "Frankreich hat sich engagiert, 30.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Dazu sind wir bereit, aber nicht zu mehr", sagte er am Samstag. Valls stellte auch klar, dass er ein dauerhaftes System zur Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas ablehne. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hingegen will keine grundsätzliche Obergrenze, sondern mittelfristig einen Teil der in der Türkei ankommenden Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf EU-Staaten verteilen.

Dafür soll die Türkei die unkontrollierte Weiterreise Richtung EU durch bessere Grenzkontrollen unterbinden. Mit dieser Begründung hat die Türkei per 10. Februar auch die Visa-Bestimmungen für Iraker verschärft. Für sie würden keine Visa mehr an der Grenze ausgestellt, teilte die türkische Botschaft in Bagdad am Sonntag mit. Reisende müssten sich jetzt bereits in Bagdad oder Erbil um eine Einreiseerlaubnis bemühen. Für Iraker, die ein gültiges Visum für einen Schengen-Staat oder die USA hätten, gelte das nicht. Tausende Iraker hielten sich illegal in der Türkei auf, um in den Westen zu gelangen, begründete Botschafter Faruk Kaymakcı die Änderungen. Außerdem gebe es eine beträchtliche Zahl mutmaßlicher Anhänger der Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) im Land.

Dennoch hieß es in einem Entwurf für die EU-Gipfelerklärung, die Migrationsströme aus der Türkei nach Griechenland und damit in die EU seien "weiterhin viel zu hoch". Es seien von der Türkei bei der Umsetzung des Aktionsplans mit der EU trotz erster Schritte "weitere entschiedene Anstrengungen von türkischer Seite notwendig". Die Türkei habe beispielsweise Fortschritte beim Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt und beim Datenaustausch mit der EU gemacht, heißt es in dem Entwurf, der am morgigen Dienstag von den EU-Außenministern noch behandelt wird. Um der Migrationsströme Herr zu werden und gegen Schmuggler und deren Netzwerke vorzugehen, wird auch die NATO-Unterstützung angeführt.

Mini-Gipfel vor eigentlichem Gipfel

Der EU-Gipfel findet am Donnerstag und Freitag statt, noch rechtzeitig davor will Griechenland vier der geplanten fünf Hotspots zur Registrierung von Flüchtlingen in Betrieb nehmen. Die Zentren auf den Inseln Lesbos, Chios, Leros und Samos sollten bis Mittwoch eröffnet werden, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Montag aus griechischen Regierungskreisen. Eigentlich hätte die Eröffnung bereits im vergangenen Jahr erfolgen sollen.

Noch vor dem Treffen wird am Donnerstag auf Initiative Österreichs ein sogenannter Mini-Gipfel der "Willigen" stattfinden. Ab 12 Uhr tagen auf Einladung von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zum zweiten Mal in dieser Konstellation die Länderchefs der von der Balkanroute am meisten betroffenen Staaten.

Neben Deutschland sind auch Frankreich, Schweden, Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Finnland, Portugal, Slowenien und Griechenland vertreten. Dieser Vorgipfel, bei dem auch der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu sowie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz vertreten sein werden, soll vor allem dazu dienen, die immer noch hohen Flüchtlingszahlen aus der Türkei einzudämmen, hieß es am Montag in EU-Ratskreisen.

Visegrád-Staaten kritisieren mangelnden Grenzschutz

Bereits am Montag treffen sich die Staatsspitzen der vier Visegrád-Staaten – Tschechien, Polen, Slowakei und Ungarn – sowie Mazedoniens und Bulgariens in Prag, um über eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingsfrage zu diskutieren. Sie lehnen die Quoten zur Verteilung von Asylsuchenden ebenfalls ab und fordern einen verstärkten Schutz der EU-Außengrenze.

So hat Ungarn im Vorfeld der Tagung der griechischen Regierung mangelnde Grenzsicherung vorgeworfen. Griechenland habe "überhaupt nicht versucht", die "Menschenmassen aufzuhalten", sagte der Staatssekretär für EU-Fragen, Gergely Pröhle, am Montag im deutschen RBB-Inforadio. Ungarn habe schon vor einem halben Jahr den Schutz der EU-Außengrenzen und eine Finanzierung vorgeschlagen.

Als "Schwachsinn" bezeichnete Pröhle Vorstellungen, mitteleuropäische Staaten, die gegen die Flüchtlingsverteilung seien, mit Sanktionen zu belegen. Dann müssten auch Frankreich EU-Mittel gestrichen werden, das eine ähnliche Position vertrete.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat die Visegrád-Staaten davor gewarnt, in der Flüchtlingskrise zu einem "Verein von Abtrünnigen" gegenüber der notwendigen Solidarität innerhalb der EU zu werden.

Medwedew: Flüchtlingspolitik "kolossaler Fehler"

Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew bezeichnete indes die Flüchtlingspolitik der EU als "kolossalen Fehler", der die europäische Identität bedrohe und rechten Parteien nutze. "Mir scheint, dass die Europäische Union zur Geisel ihrer unausgewogenen Migrationspolitik geworden ist", sagte er dem US-Magazin "Time".

Der serbische Präsident Tomislav Nikolić äußerte sich am Montag trotz der Kritik seines Außenministers an der "fehlenden einheitlichen EU-Politik" überraschend lobend über die Politik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise. Merkel habe die Last auf sich genommen, um die "Werte zu erfüllen, auf denen die Europäische Union aufbaut", sagte Nikolic der Zeitung "Danas". Sie sei eine bewundernswerte Frau. (APA, red, 15.2.2016)