Das ohnehin schon spannende US-Wahljahr ist durch den plötzlichen Tod des Höchstrichters Antonin Scalia noch aufregender geworden. Scalia war eine der einflussreichsten Figuren der jüngeren US-Geschichte und hat in seinen fast 30 Jahren im Amt viel dazu getan, das Land in eine stramm konservative Richtung zu lenken.

Durch eine Neubesetzung hätte Präsident Barack Obama die Chance, eine linksliberale Mehrheit im Supreme Court zu schaffen und damit mehr zur Durchsetzung progressiver Ideen zu tun als durch jede andere Handlung. Hätte – denn die republikanische Mehrheit im Senat, der Obamas Wahl bestätigt muss, wird alles tun, um dies zu verhindern.

Die Forderung des Senatsführers Mitch McConnell, Obama solle die Ernennung dem nächsten Präsidenten überlassen, hat das Weiße Haus bereits zurückgewiesen. Aber es braucht nur 40 von hundert Senatoren, um den Amtsantritt eines neuen Höchstrichters ein ganzes Jahr lang zu blockieren und das höchste Verfassungsorgan lahmzulegen. So etwas hat es noch nie gegeben, aber die Republikaner sind in ihrem ideologischen Abwehrkampf zu vielem bereit.

Allerdings würde eine solche Blockade demokratischen Kandidaten auf allen Ebenen in die Hände spielen; sie könnten auch moderate Wähler mit dem Argument mobilisieren, dass es um die Verteidigung von Bürgerrechten gegen einen Verfassungsputsch geht. Die Republikaner würden damit den Verlust der Senatsmehrheit riskieren.

Ein solches Szenario nützt auch Hillary Clinton gegen Bernie Sanders in den demokratischen Vorwahlen: Es ist ein starkes Argument dafür, die Kandidatin mit der größten Chance auf einen Sieg im November zu nominieren.

Obama steht bei der Suche eines Scalia-Nachfolgers vor einer schwierigen Aufgabe. Der Vorschlag, einen Juristen zu finden, der für beide Parteien annehmbar ist, ist unrealistisch: Solche Personen gibt es in der polarisierten Atmosphäre der USA nicht mehr. Mit einer moderaten Wahl könnte Obama die Chancen auf eine Bestätigung zwar verbessern, würde sich aber dem Vorwurf aussetzen, die Wünsche der Parteibasis nach größeren Veränderungen zu ignorieren. Eine ausgeprägt progressive Ernennung wäre wiederum eine Kampfansage an die Republikaner; das zahlt sich vor allem dann aus, wenn es ohnehin keine Chance auf eine Bestätigung im Senat gibt.

Scalias Tod ist jedenfalls ein Rückschlag für die Rechte und könnte den Kurs der US-Politik langfristig verändern. (Eric Frey, 15.2.2016)