Die schwarzen Limousinen sind abgefahren. Die Präsidenten, Premiers und Außenminister sitzen in ihren Flugzeugen. Im Bayerischen Hof wird beherzt aufgeräumt. Ordnung muss in der Tat her – auch was die Positionen, Begriffe und Perspektiven betrifft, die bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz sichtbar wurden.

Angesichts der buchstäblich überwältigenden Gewalt, mit der sich die Verhältnisse in der Welt ändern, war die Stimmung in München ziemlich schlecht. Schon seit Jahren ist hier zu spüren, dass sich die alten Parameter zur Interpretation der Weltpolitik auflösen, dass lange eingeübte Zugänge im Lösen von Problemen und Bewältigen von Krisen nicht mehr erfolgreich sind.

Dafür steht quasi paradigmatisch die Syrien-Krise – das Hauptthema der Konferenz – mit all ihren regionalen und internationalen Konsequenzen. Dort werde, schreibt Jan Techau vom Brüsseler Ableger der US-Denkwerkstatt Carnegie Endowment, "ein Stellvertreterkrieg im Kampf um die neue Weltordnung" ausgetragen. Anhand des Konflikts, der auch schon als eine Art Dreißigjähriger Krieg beschrieben wurde, wird sich also zeigen, ob daraus so etwas wie ein neues Westfälisches Ordnungssystem für die Welt entsteht. Es wird klar werden, ob es wieder eine völkerrechtliche Sortierung der Verhältnisse gibt, wie sie der Welt nach den beiden großen Kriegen des vergangenen Jahrhunderts gegeben wurde.

Die Hauptrolle in diesem Kampf fällt dem Russland Wladimir Putins zu, denn ohne Moskau geht nichts und mit Moskau ebenso wenig. Der Kreml zelebriert in Syrien (und der Ukraine) seine weltpolitischen Ansprüche in taktischer Manier, ohne dass irgendjemandem klar ist, welche strategischen Ziele dahinterstecken. Putin gibt den Bösewicht überzeugend, aber es ist nicht klar, was er damit gewinnt außer das tatsächlich glaubhafte Image des – Bösewichts.

Eine Nebenrolle haben derzeit die Amerikaner inne, die von ihrem Wahlkampf derart absorbiert scheinen, dass keine Aufmerksamkeit mehr für anderes bleibt. Der Syrien-Konflikt allerdings wird sich nicht von selber auflösen. Im Gegenteil, tendenziell wird er noch blutiger und gefährlicher werden. Der oder die Neue im Weißen Haus wird sich einschalten müssen – nicht nur aus humanitären Gründen, auch aus Eigeninteresse, die neuen Verhältnisse nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Das Transpazifische Partnerschaftsabkommen ist wie das EU-amerikanische TTIP ein Versuch, in einer spezifischen Dimension auf die neue Weltlage zu reagieren.

Europa muss sich unterdessen entscheiden, ob es ein beistehend leidender Statist bleiben oder ob es (gemeinsam) aktiv werden will. Dafür ist es nötig, dass sich seine Führungsmächte – und insbesondere Deutschland – besinnen und auch in der Flüchtlingskrise zu einem realpolitischen Zugang finden, der Europa handlungs- und zukunftsfähig hält. Dazu gehört auch, dass die Union Russland gegenüber standhaft bleibt, auch wenn die Sanktionen den europäischen Staaten – namentlich Deutschland und Österreich – deutlich mehr Schmerzen zufügen als etwa den Amerikanern. Die Europäer dürfen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.

Den europäischen Staatskanzleien sollte nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts eigentlich klar sein, dass es leicht ist, ins Chaos zu schlittern, und schwer, wieder herauszufinden. (Christoph Prantner, 14.2.2016)