Karriereknick: Im Juni 2015 hielt Serhij Kljujew als Abgeordneter im ukrainischen Parlament noch eine Rede, mittlerweile wird er von der Kiewer Justiz per Haftbefehl gesucht.

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Auch gegen Serhijs älteren Bruder Andrij, seinerzeit als Vizepremier und zuletzt Chef der Präsidialverwaltung unter Ministerpräsident Wiktor Janukowitsch im Epizentrum der Macht, läuft in der Ukraine ein Verfahren.

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Moskau/Kiew – Es sind trübe Tage für die Kljujews: Einst stand das Brüderpaar in Kiew an der Spitze von Politik und Wirtschaft, und Serhij, der jüngere, ließ seiner Tochter im Wiener Palais Liechtenstein eine glänzende Hochzeit ausrichten. Inzwischen sind die Kljujews vor der ukrainischen Justiz auf der Flucht, und in Wien fällt ihr Name im Zusammenhang mit der "Pleite des Jahres" – nach dem Zusammenbruch der Activ Solar GmbH.

Immerhin: Einen Sieg konnte Serhij Kljujew dieser Tage erringen. In Luxemburg hat der Europäische Gerichtshof die im März 2014 wegen mutmaßlicher Veruntreuung erlassenen Sanktionen gegen mehrere ukrainische Spitzenbeamte aufgehoben. Unter den Betroffenen: Expremier Mykola Asarow und Kljujew. Hintergrund sind die langsamen Ermittlungen der ukrainischen Justiz, auf deren Drängen die Sanktionen eigentlich verhängt wurden.

Haftbefehl

Im Falle Kljujews hat die Verschleppungstaktik der Staatsanwaltschaft in Kiew dazu geführt, dass der Rada-Abgeordnete, den die Behörden des Betrugs, des Amtsmissbrauchs und der Veruntreuung bezichtigten, schließlich im Juni 2015 die Flucht nach Russland antrat – vermutlich über die Separatistengebiete im Osten der Ukraine. Als Antwort auf das Gerichtsurteil in Luxemburg hat die Kiewer Justiz nun zumindest einen Haftbefehl gegen den 47-Jährigen verhängt, der einst über seine ebenfalls in Wien ansässige Firma Tantalit Meschgorje, das Luxusanwesen von Präsident Wiktor Janukowitsch, managte.

Millionenaffäre um Ökostrom

Ein Verfahren läuft auch gegen Andrij (52), den älteren, der seinerzeit als Vizepremier und zuletzt Chef der Präsidialverwaltung unter Janukowitsch im Epizentrum der Macht saß – und sich direkt nach dessen Sturz absetzte. Bei den Vorwürfen geht es konkret auch um den Aufbau des Solarimperiums der Kljujews. Zwar haben die Brüder, die ironischerweise aus einer Bergarbeiterfamilie im Kohlegebiet Donezk stammen, ihre Beteiligung an Activ Solar stets dementiert, doch die Platzierung von Serhijs Schwiegersohn Kaweh Ertefai und Andrijs Sohn Bogdan Kljujew in Schlüsselpositionen verdeutlicht ihren Einfluss auf das Unternehmen.

Die 2008 gegründete Activ Solar profitierte dabei unter Janukowitsch massiv von Subventionen, billiger Landvergabe, staatlichen Krediten und der europaweit höchsten Ökostromvergütung – bei gleichzeitig gewährtem Monopol auf die Produktion von Solarenergie in der Ukraine. Unter anderem soll Andrij Kljujew die Vergabe eines Kredits mehr als 1,5 Milliarden Hrywnja (damals mehr als 100 Millionen Euro) veranlasst haben, wovon laut Staatsanwaltschaft mehr als ein Drittel versickert ist. Medienberichten nach liegt der Schaden allerdings bei einem Vielfachen dieser Summe.

136 Millionen Euro Schulden

Mit Janukowitschs Abgang waren die sonnigen Zeiten vorbei: Die Solaranlagen auf der Krim wurden nach dem russischen Anschluss zeitweise wegen Unrentabilität stillgelegt, ein Gericht in Kiew verdonnerte Activ Solar in zwei Fällen zur Zurückzahlung von Schulden von insgesamt 136 Millionen Euro. Ohne Lobby in der Regierung erwies sich diese Bürde letztendlich als zu hoch. (André Ballin, 15.2.2016)