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Donald Tusk ist nicht dabei, dafür treffen sich Werner Faymann, Angela Merkel und François Hollande zum Gipfel vor dem eigentlichen Gipfel.

Foto: Yves Logghe/AP/dapd

Eine Woche vor dem nächsten regulären EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel zeichnet sich eine deutliche Bewegung in Sachen Management der europäischen Flüchtlingskrise durch eine "Gruppe der willigen EU-Staaten" in der Union ab. Kurz vor dem offiziellen Treffen der EU-28 wird es einen Sondergipfel in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU in Brüssel geben, zu dem Bundeskanzler Werner Faymann einlädt. Das wurde dem STANDARD am Samstag aus dem Bundeskanzleramt in Wien nun auch offiziell bestätigt.

Teilnehmen werden nicht nur mindestens zehn Regierungschefs von EU-Staaten, unter ihnen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern auch der türkische Ministerpräsident Ahmed Davutoglu. Bereits im vergangenen Dezember hatte es ein solches Treffen in diesem Format in der österreichischen Botschaft gegeben.

Der entscheidende Unterschied diesmal: Es wird nun auch der französische Staatspräsident François Hollande an dem Flüchtlingsgipfel teilnehmen, was der Sache einen kräftigen politischen Anschub verleiht. Nach Informationen dieser Zeitung hat Hollande sein Kommen in einem Telefonat mit dem Bundeskanzler am Samstag persönlich zugesagt.

Zahlreiche Verhandlungspunkte

Auf der Tagesordnung der Gespräche steht der Fortgang der Bemühungen um eine Umsetzung des EU-Türkei-Paktes in Sachen Migration, Visaliberalisierung, Finanzhilfen für syrische Flüchtlinge in der Türkei, bessere Absicherung der EU-Außengrenzen in der Ägäis vor den griechischen Inseln und Bekämpfung des Schlepperwesens. Vor allem aber will man Wege finden zum Stopp der illegalen Fluchtwelle über die Balkanroute, die Zahl der Zuwanderer soll deutlich verkleinert werden. Sie soll von einer geordneten Zuwanderungspolitik abgelöst werden, indem etwa syrische Flüchtlinge direkt von der Türkei nach Europa gebracht werden. Im vergangenen Jahr waren fast eine Million Flüchtlinge über die Balkanroute nach Zentraleuropa gekommen, insbesondere nach Deutschland und Österrreich.

Beim Gipfel der "Willigen" sind neben Österreich, Deutschland, Frankreich und der Türkei auch noch die drei Benelux-Staaten Belgien, Luxemburg und die Niederlande dabei, Finnland, Slowenien, Griechenland und möglicherweise auch wieder Schweden. Zusätzlich werden EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Parlamentspräsident Martin Schulz erwartet.

Sorge vor Frühlingsbeginn

Vor allem die Teilnahme von Hollande könnte ein wichtiges Signal dafür sein, dass man nun nach fünf Monaten des Scheiterns einer gesamteuropäischen Lösung endlich zu konkreten Ergebnissen kommt. Allen Beteiligten sitzt die Sorge im Nacken, dass mit Beginn frühlingshafteren Wetters in der Ägäis wie schon 2015 ein gewaltiger Flüchtlingsstrom in Gang kommt, der nur mit konstruktiver Beteiligung der Türkei und Griechenlands verhindert werden kann.

Erste Schritte zeigen sich bereits. So hat am Donnerstag eine Nato-Mission in der Ägäis begonnen, die für besseren Informationsfluss zwischen der Türkei und Griechenland sorgen soll, deren Marinen bisher kaum kooperierten. Indem endlich die Hotspots auf griechischen Inselns zu laufen beginnen und mehrere Balkanländer wie auch Österreich Grenzkontrollen angekündigt haben, hofft man auf ein Absinken der Flüchtlingszahlen in Europa.

Wenn das eintritt, so die Überlegungen der Verhandler, könnte man beginnen, auf legalem Weg Flüchtlinge von der Türkei in die EU-Länder zu holen. Da eine "faire" Aufteilung auf alle EU-Staaten nicht möglich erscheint, weil etwa die Osteuropäer, aber auch Frankreich, Spanien oder Italien sich weigern, entsprechend den Vorgaben der EU-Kommission mitzutun, könnte es sein, dass die Gruppe der Willigen vorangeht und Fakten schafft. Angedacht ist vorerst, 50.000 syrische Flüchtlinge nach Europa zu übersiedeln.

Der Nebeneffekt dabei: Ein kontrolliertes Abholen der syrischen Flüchtlinge in der Türkei bei gleichzeitig strengerer Grenzkontrolle könnte bedeuten, dass zum einen viele junge Wirtschaftsmigranten aus anderen Staaten abgehalten werden, die ohnehin keine Chance auf Asyl hätten. Zum anderen kämen dann vermehrt Familien mit Kindern und sozial Schwächere zum Zug, die sich die teuren Schlepperfahrten nicht leisten können.

Renzi kommt nicht

Abgesagt hat der italienische Premierminister Matteo Renzi, den Faymann ebenfalls zu dem Treffen eingeladen hat. Er habe aber befürwortet, dass es eine Reihe von parallel laufenden Maßnahmen geben solle, um des Flüchtlingsstromes Herr zu werden, nicht nur im EU-Rahmen. Es dürften aber vor allem innenpolitische Schwierigkeiten sein, die Renzi davon abhalten, sich offensiv an der Lösung der Flüchtlingskrise zu beteiligen. Das könnte ihm möglicherweise bald leid tun, wenn es tatsächlich dazu kommen sollte, dass eine Gruppe von Staaten wieder Grenzkontrollen einführt, um den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Süden, also auch aus Italien, abzuhalten. (Thomas Mayer, 13.2.2016)