Nach den europäischen Patentgesetzen sind Patente auf Pflanzensorten oder klassische Züchtungen verboten. Trotzdem hat das Europäische Patentamt vor wenigen Monaten der Schweizer Syngenta ein Patent auf Tomaten mit erhöhtem Flavonolgehalt gewährt. Der Konzern hat verschiedene Tomaten miteinander gekreuzt und sich das Ergebnis patentieren lassen: Den Samen, die Pflanze und die Frucht.

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Mariana Karepova ist seit November Präsidentin des Österreichischen Patentamts. Erstmals steht der 116-jährigen Institution damit eine Frau vor. Karepovas Büro – im vierten Stock eines nüchternen Baus in der Dresdner Straße im zweiten Wiener Gemeindebezirk ist schmucklos. Dafür groß, luftig und mit Weitsicht – noch.

Denn bald wird der Blick über das Nordbahnhofgelände Richtung Kahlenberg verbaut sein. Ein großer Besprechungstisch, ein Ikeasofa, ein paar Blumen und ein auffälliges Bild: Ein großes in kräftigen Farben gemaltes Porträt von Hedy Lamarr: Schönheit, Schauspielerin und Erfinderin. 25 Millionen Patentschriften wurden im vergangenen Jahr durchforstet. 240 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten für die Behörde – 14.000 sind es in China, wie Karepova en passant erwähnt. Durchforstet wird aber auch die Behörde selbst. Ein moderner schlagkräftiger Dienstleister schwebt Karepova vor.

Das Thema Einheitspatent (siehe dazu: Wettstreit der Wissenseigentümer) – das sehr wahrscheinlich erst Anfang 2017 kommen wird – sieht Karepova nicht nur im rosigen Licht. Zwar würden in Österreich keine Biopatente erteilt, allerding werden Patente, die am Europäischen Patentamt erteilt, auch in Österreich wirksam. Am Europäischen Patentamt wurde etwa dem Schweizer Konzern Syngenta ein Patent auf Tomaten (siehe dazu: Patent auf Tomaten) mit besonders viel Flavonol (ein Stoff, der vor Krebs schützen soll und in vielen Gemüsesorten enthalten ist) erteilt.

STANDARD: Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Das Patentamt soll näher an die Kunden rücken, offener werden. Was heißt das?

Mariana Karepova: Bis jetzt wurden hauptsächlich Patente, Marken und Muster eingereicht, geprüft, erteilt. Man brachte sich aber kaum in die Forschungs- und Technologiepolitik ein oder in ein Themensetting. Welche Rolle spielt geistiges Eigentum, fördert oder behindert es Innovation? Welche Strategie hat Österreich, welche die Firmen? Meine Aufgabe ist es unter anderem mit der Forschungs- und der Unternehmensförderung zu vernetzen.

STANDARD: Was haben Unternehmen davon?

Karepova: Laut Europäischem Patentamt gehen 30 Prozent der Gelder, die in Forschungsförderung investiert werden, durch sogenannte Doppelerfindungen verloren. Es kann sein, dass ein Innovationsprojekt gefördert wird, obwohl es diese Erfindung schon gibt. Eine Firma, die mit uns kooperiert, kann das vermeiden. Wir schauen uns auch an, welche Patente es schon gibt, welche behindern, wo Konkurrenten, wo potenzielle Kooperationspartner sind.

STANDARD: Die serv.ip, als Dienstleister ins Leben gerufen, hat ihren Vorvorgänger Friedrich Rödler in Bedrängnis gebracht. Wie ist das jetzt gelöst?

Karepova: Wir sind gerade dabei, diesen Bereich ins Patentamt zu integrieren und die Teilrechtsfähigkeit aufzulösen. Ein entsprechendes Gesetz wurde ins Parlament eingebracht. Die Kritik des Rechnungshofs war zum Teil berechtigt, weil es Doppelgleisigkeiten, fehlende Aufsicht und Intransparenz gab und weil vor allem Dienstleistungen für österreichische Unternehmen eigentlich Kernkomptenz eines österreichischen Patentamts sind.

STANDARD: Welche Dienstleistungen bieten sich für Firmen an?

Karepova: Wir haben als Pilotprojekt ein Start-up angeschaut, das bei der FFG Forschungsförderung möchte. Mit ziemlich coolen Erfindungen. Wir konnten ihnen auf Knopfdruck sagen, dass sie das nicht patentieren können, weil sie vorher auf einer Konferenz waren und das im Konferenzpapier steht. Sobald es aber irgendwo publiziert wird, ist es eine Vorpublikation und kann nicht mehr patentiert werden. Leider haben sie das nicht gewusst – und haben sich also selbst behindert. Die technologischen Start-ups müssen also besser informiert werden.

STANDARD: Österreicher meldeten 2015 rund 6.000 Patente weltweit an, rund 3100 wurden hierzulande angemeldet. Wir liegen auf der Anmeldungsrangliste auf Platz 13. Wie wichtig ist so ein Ranking?

Karepova: Es geht nicht nur um die Zahl, sondern auch um die Qualität. Wichtig ist, ob sie halten. Im Europäischen Patentgericht soll ein Nichtigkeitsantrag an die 20.000 Euro kosten. Für kleinere Unternehmen ist so etwas ruinös.

STANDARD: Heimische Patentkaiser sind Große wie Siemens, Blum, AVL List, Zumtobel, Fronius, Engel. KMU melden traditionell eher wenige Patente an. Was ist eine sinnvolle Strategie?

Karepova: Es gibt kein Patentrezept. Wichtig ist, dass jede Firma, bis das Einheitspatent kommt, sich überlegt, wie die Strategie aussieht. Mit Patentierung lege ich Technologie offen. Für ein Familienunternehmen kann Geheimhaltung auch eine Strategie sein. Coca-Cola hat es geschafft, nicht zu patentieren und 40 Jahre lange das Rezept geheim zu halten. Dafür haben sie die Marke geschützt. Sie sind damit sehr gut gefahren.

STANDARD: Stichwort Einheitspatent. Es wird wohl erst 2017 kommen. Österreich hat als erstes Land ratifiziert. Österreich ist bekanntlich ein Land mit vielen KMU. Ist es nicht wahrscheinlich, dass große Konzerne mit dem EU-Patent Freude, die KMU wenig davon haben werden?

Karepova: Auch beim Einheitspatent gilt die eine Anmeldung in allen Ländern, die ratifiziert haben. Also mit einem Schlag gleich in bis zu 26 Mitgliedsstaaten. Man ist nicht flexibel, auch wenn man nicht alle Märkte braucht. Man hat aber auch eine gemeinsame Gerichtsbarkeit. Wenn also in irgendeinem Markt vor dem Europäischen Patentgericht mein Patent angefochten wird, fällt dieses Patent in allen Märkten. Deswegen melden österreichischen Unternehmen oft in Österreich an, um hier ihre wichtigsten Kronjuwelen abzusichern.

STANDARD: Reduzierte Gebühren für die Patenterteilung für kleine und mittelständische Unternehmen gibt es in den USA. Wäre das nicht sinnvoll?

Karepova: KMU-Unterstützung muss nicht über die Reduktion der Gebühren passieren. Die Jahresgebühr für ein EU-Patent kumuliert über 20 Jahre ist 35.000 Euro. Das ist vergleichsweise nicht viel. KMU kann man besser unterstützen, wenn man sie gut berät und diese Beratung noch sehr niederschwellig ansetzt. Zum Beispiel über einen Patentscheck.

STANDARD: Österreicher sind relativ skeptische Menschen. Siehe Atomkraft, Gentechnik, Patent auf Leben. Nach den europäischen Patentgesetzen sind Patente auf Pflanzensorten oder klassische Züchtungen verboten. Trotzdem hat das Europäische Patentamt vor wenigen Monaten dem Schweizer Konzern Syngenta ein Patent auf die Zucht von Tomaten mit erhöhtem Flavonolgehalt gewährt. Kommt das nun durch die Hintertür?

Karepova: Österreich hat da eine unmissverständliche Position, die da lautet, kein Patent auf Leben, Pflanzen und Tiere als solche. Wir sind auch sehr gut abgesichert, haben ein Biopatentmonitoring, haben die Biopatentrichtlinie umgesetzt, sind auch in einem sehr guten Dialog mit heimischen NGOs, wie etwa die Arche Noah. Ich sehe die Gefahr nicht, dass wir in Österreich solche Patente erteilen. Das ist aber in Europa ein politisches Thema, da verhandeln die Regierungen.

STANDARD: Wenn wir das EU-Patent haben, braucht man ja die Österreicher auch nicht mehr, um Biopatente zu verhindern.

Karepova: Das ist in der Tat ein problematisches Thema, und die Gefahr ist real. Denn die Patente, die am Europäischen Patentamt erteilt werden, wären auch bei uns wirksam. (Regina Bruckner, 15.2.2016)