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Bei der Eröffnung des Denkmals für die Verfolgten der NS-Militärjustiz dachte niemand daran, dass man das Kunstwerk einmal werde einzäunen wollen. Im November wurde es jedoch von Rechten okkupiert. Tretgitter will Künstler Olaf Nicolai trotzdem nicht aufstellen lassen.

foto: aps/hochmuth

Wien – Im November war die Kritik groß, als rechte Demonstranten bei einer Kundgebung "gegen Asylmissbrauch" das Deserteursdenkmal auf dem Ballhausplatz zum Rednerpult umfunktioniert hatten. Wie berichtet, hatte die Polizei die Demonstration genehmigt und war im Vorfeld darüber informiert, dass die Reden direkt auf dem Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz stattfinden würden.

In Zukunft soll das nun nicht mehr passieren, kündigt Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) im Gespräch mit dem STANDARD an. Denn es sei eine "Umkehr des Zweckes des Denkmals, wenn sich dort rechtslastige Gruppierungen breitmachen".

"Gute oder schlechte" Demos

Er habe sich mit dem Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl darauf geeinigt, dass man künftig Tretgitter um das Deserteursdenkmal aufstellen werde, wenn Demonstrationen angemeldet sind. Zwar sagt Mailath-Pokorny: "Man kann schwer sagen, wir suchen uns aus, wer das Denkmal begehen darf und wer nicht", die Lösung, Tretgitter anzubringen, sei aber ein Kompromiss.

Ein Sprecher der Polizei bestätigt, dass nun bei jeder Demo Tretgitter um das Denkmal herum aufgebaut werden. Einzige Ausnahme sind Veranstaltungen des KZ-Verbandes, bei denen der Opfer des Naziregimes gedacht wird. Ansonsten wolle man aber keine Unterscheidung zwischen "guten und schlechten Demonstrationen" machen, sagt der Sprecher.

"Begehbares Denkmal"

Das sei nicht nur mit dem Wiener Stadtrat so vereinbart, sondern auch mit dem Gestalter des Denkmals, dem deutschen Bildhauer Olaf Nicolai. Letzterer sagt zum STANDARD aber, er sei vehement gegen die Tretgitterpläne. Das Monument, mit dem der zivile Ungehorsam der NS-Deserteure gewürdigt werden soll, sei bewusst als "begehbares Denkmal" konzipiert, stufig gestaltet und auf der höchsten Stufe beschriftet: Die Worte "all" und "alone" zitieren ein Gedicht des schottischen Lyrikers Hamilton Finlay.

Der Anspruch der Begehbarkeit, so Nicolai, setze nicht aus, wenn Demonstrationen vor Ort stattfänden, auch von Rechten. Diese gehörten "zur Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Themen". Angesichts dessen wäre ein Aufstellen von Tretgittern ein "rein formaljuristisches Vorgehen, nach dem Motto: Wir haben ein Problem – Pflaster drauf!".

Experten voran befragen

Vielmehr müsse ein Umgang mit dem Deserteursdenkmal gefunden werden, der ausschließe, dass es erneut zu Entscheidungen komme wie jener der Polizei, die die Pultaufstellung auf dem Denkmal zugelassen hatte. Eine Möglichkeit – so der Künstler – wäre, die Polizei dazu anzuhalten, im Vorfeld kommender Entscheidungen "kompetente Ansprechpartner zu suchen, etwa aus dem Denkmal-Personenkomitee".

Darauf angesprochen, sagt Thomas Geldmacher, Obmann des Personenkomitees, er sei jederzeit zu Gesprächen über den künftigen Umgang bei Demonstrationen bereit. Bis dato habe ihn niemand kontaktiert und um Rat gefragt. Er bedaure die Lösung mit den Tretgittern, da der ursprüngliche Sinn des Denkmals verlorengehe. (Irene Brickner, Rosa Winkler-Hermaden, 13.2.2016)