François Hollande sucht ganz offensichtlich seine Wählerbasis zu erweitern: Gut ein Jahr vor den nächsten Präsidentschaftswahlen in Frankreich holte der sozialistische Staatschef am Donnerstag zwei Juniorpartner in die Regierung. Grünen-Chefin Emmanuelle Cosse wird zuständig für Wohnbau; zwei grüne Dissidente, Jean-Vincent Place und Barbara Pompili, erhalten sekundäre Chargen. Für die radikallinke Partei PRG – die entgegen ihrem Namen sehr gemäßigte Positionen vertritt – übernimmt ferner Jean-Marc Baylet das Ressort Raumplanung.

Neuer Außenminister Frankreichs wird Jean-Marc Ayrault. Der ehemalige Deutschlehrer und Premierminister löst Laurent Fabius und pflegt enge Beziehungen zur deutschen SPD. Allerdings verkörpert er nicht unbedingt eine Erneuerung der Regierungsequipe. Rechts wie links hieß es vielenorts, Hollande betreibe unter seinesgleichen politisches "Recycling".

Streitpunkt Regionalflughafen

Das ist auch auf die grüne Partei EELV gemünzt, die 2014 aus der Regierung ausgeschieden war. Ein Streitpunkt war – und bleibt – der von Hollande geförderte Regionalflughafen von Nantes. Er ist in Frankreich so umstritten wie

in Deutschland die Frankfurter Startbahn West oder Stuttgart 21. Mit Ayrault, dem früheren Bürgermeister von Nantes, holt Hollande einen Befürworter dieses Projektes in die Regierung, mit der Grünen-Chefin Cosse eine Gegnerin. Als Kompromiss lässt Hollande, wie er am Donnerstagabend in einem Fernsehauftritt erklärte, ein lokales Referendum über das Flughafenprojekt abhalten.

Mit diesem Schachzug spaltet er die grüne Partei. Als Ganzes lehnte "Europe Ecologie Les Verts" (EELV) einen Regierungseintritt ab. Ein Sprecher meinte, die Gründe, die 2014 zum Austritt der zwei grünen Minister Cécile Duflot und Pascal Canfin geführt hätten, seien bis heute nicht beseitigt. Duflot könnte sogar versucht sein, bei den Präsidentschaftswahlen 2017 anzutreten, was Hollandes Wahlchancen schmälern würde.

Populärer Valls

Außerhalb der Regierung bleiben auch die Kommunisten und die Linkspartei. Deren Ko-Parteichef Jean-Luc Mélenchon hat diese Woche bereits seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen angekündigt.

Pariser Medien hatten anfangs Woche spekuliert, dass Hollande sogar Valls ablösen könnte. Dieser ist laut Umfragen populärer als der Staatschef und kommt damit als potenzieller Kandidat für die Präsidentschaftswahlen in Frage. Offenbar glaubt Hollande, seinen ehrgeizigen Regierungschef auf seinem aktuellen Posten besser unter Kontrolle zu halten.

Auch wenn Cosse in die Regierung eintritt, bleibt das Umweltressort bei Ségolène Royal, die heute ein politisches Schwergewicht der Regierung ist. Sie wollte für Fabius nachrücken, bleibt aber schließlich auf ihrem Posten sitzen. Dem Vernehmen nach scheute ihr ehemaliger Lebenspartner Hollande davor zurück, sie mit einem noch wichtigeren Portefeuille zu betrauen.

Rochaden im Justizressort

Eine kleine Überraschung ist der Abgang von Kulturministerin Fleur Pellerin. Sie zahlt zweifellos für ihre Bemerkung, sie habe seit Beginn ihres Jobs keinen einzigen Roman mehr gelesen; im literarischen Paris war das fast schon eine berufliche Selbstmorderklärung. Ihre Nachfolge tritt Audrey Azoulay an, eine Kinospezialistin, die Hollandes Kulturberaterin gewesen war; sie kennt zudem dessen Freundin Julie Gayet, die als Schauspielerin und Filmproduzentin wie Azoulay der Pariser Kinoszene entstammt.

Neu in der Regierung sitzt seit einigen Tagen bereits Justizminister Jean-Jacques Urvoas. Der zum rechten Parteiflügel zählende Vertraute von Premierminister Manuel Valls ersetzt Christiane Taubira, die aus Protest gegen Antiterror-Maßnahmen – unter anderem die Aberkennung der Staatsbürgerschaft für Terroristen – zurückgetreten war. (Stefan Brändle, 11.2.2016)