Es ist nicht gerade wahrscheinlich, dass sich Flüchtlinge in Zukunft nach Montenegro verirren werden. Denn selbst wenn die mazedonisch-griechische Grenze geschlossen wird – voraussichtlich im März –, gibt es näherliegende Ausweichwege als über den kleinen Bergstaat. Auch Außenminister Sebastian Kurz, der am Mittwoch Podgorica besuchte, hält eine Route über Montenegro für eher "unrealistisch". In Podgorica traf er aber Igor Lukšić – wohl das letzte Mal in dessen Funktion als Außenminister. Lukšić scheidet diese Tage aus dem Amt.

Kurz wies in Montenegro auf die Probleme mit Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit hin, konzentrierte sich aber dann wieder auf die Botschaft, dass Österreich bereit sei, die Obergrenze einzuhalten und notfalls auch die Grenze zu schließen. Nicht von ungefähr ist Kurz letzte Station auf seiner Reise durch sechs Balkanstaaten Mazedonien. Denn Mazedonien soll die Flüchtlinge von der Weiterreise abhalten.

Tageskontingente

Letztlich reicht auch diese eine Grenzschließung. Das Prozedere soll in Schritten erfolgen. Weil das österreichische Innenministerium ab kommender Woche nur mehr Tageskontingente – etwa 500 Flüchtlinge pro Tag – ins Land lassen wird, werden das auch die im Süden folgenden Staaten, nämlich Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien tun. Das hat hauptsächlich den Grund, dass sich danach bei der tatsächlichen Grenzschließung in Mazedonien nicht besonders viele Flüchtlinge in Slowenien und Kroatien befinden werden und die Staaten nicht überfordert sein werden.

Klar ist aber, dass sich bereits ab kommender Woche in Griechenland der Rückstau von Flüchtlingen verstärken wird. Aus Diplomatenkreisen auf dem Balkan ist zu hören, dass Österreich in einer quasi neokakanischen Allianz mit Ungarn, Slowenien und Kroatien Polizisten an die Grenze zu Mazedonien schicken will. Auch Serbien wird weitere Beamte entsenden, um den mazedonischen Kollegen zu helfen. Es handelt sich nicht um eine Frontex-Mission. Diese soll erst später erfolgen.

Viele rechnen damit, dass die Flüchtlinge im Falle des Dichtermachens der mazedonischen Grenze Ausweichrouten suchen werden. Allerdings werden sämtliche Optionen bereits seit Monaten durchgespielt – auch Albanien ist vorbereitet. Zudem ist der Weg über die Berge nach Albanien äußerst beschwerlich. Grundsätzlich hoffen jene Staaten, die keine Flüchtlinge mehr durchlassen wollen – insbesondere Mazedonien und Slowenien –, dass sich wegen des "neuen Signals" grundsätzlich weniger Leute auf den Weg machen werden.

Umbruch in Montenegro

Montenegro hat sich seit Monaten darauf vorbereitet, dass eventuell Flüchtlinge kommen könnten. Das Land befindet sich aber vor allem in einer ernstzunehmenden innenpolitischen Umbruchsituation. Seit Wochen verhandelt die Regierung mit diversen Oppositionsparteien. Denn die Mehrheit des bisher "starken Mannes" Milo Đukanović bröckelt. So schwach war der Premier, der seit 1991 die Fäden in der Hand hält, noch nie.

Bis 17. Februar soll nun entschieden werden, ob es bis zu den Wahlen, die im Oktober stattfinden werden, eine technokratische Übergangsregierung mit der Opposition geben wird. Die Oppositionsparteien sind hin- und hergerissen. Denn einerseits könnten sie, wenn sie mitbestimmen, für fairere Wahlbedingungen sorgen, andererseits würden sie an Glaubwürdigkeit verlieren. Die Regierungspartei PDS kann derzeit viele Jobs und Geld verteilen und dadurch Wahlen gewinnen.

Parlamentssprecher Ranko Krivokapić, der kürzlich die Regierung verließ, könnte eine neue prowestliche Oppositionspartei formieren. Đukanović versucht indes zu verhindern, dass die Krise eskaliert. (Adelheid Wölfl aus Podgorica, 11.2.2016)