1870 im Stil des Historismus erbaut, hat sich der ehemalige Ballsaal in der Mariahilfer Straße zur angesagten Kleinkunstbühne entwickelt.


Foto: G. Fuderer / Stadtsaal

Der Stadtsaal in der Mariahilfer Straße 81.

Foto: G. Fuderer / Stadtsaal

Wien – Der Stadtsaal ist heute so etwas wie das Burgtheater der Kleinkunstszene. Das bekommt man schließlich nicht nur vom zahlenden Publikum zu hören, auch die bayerische Kabarettistin Luise Kinseher zog den Vergleich unlängst bei einem Gastpiel. Mit aktuell 422 Sitzplätzen ist man hinter dem Globe (1100) in Sankt Marx zwar nur die zweitgrößte Kleinkunstbühne der Stadt, an architektonischer Pracht ist der ehemalige Ballsaal aus der Historismuszeit aber kaum zu überbieten.

Erst vor fünf Jahren eröffneten Fritz Aumayr, Szene-Urgestein und Gründer des Vindobona, und Andreas Fuderer, seit 2004 Leiter des Kabaretts Niedermair, ihren Stadtsaal in der Mariahilfer Straße 81. Als Teilhaber holte man sich auch Till Hofmann vom Münchner Lustspielhaus und den Kabarettisten Josef Hader mit an Bord.

Seit 2006, als das Vindobona in Konkurs gehen musste, sei der Bedarf nach einer neuen Bühne in Wien groß gewesen, sagt Fuderer. Die Künstler hätten begonnen abzuwandern. Also machten sich Fuderer und Aumayr auf die Suche nach einer geeigneten Lokalität. "Ganz Wien haben wir abgegrast", so Aumayr. Auf den etwas versteckt gelegenen Saal sei man durch den Tipp eines Freundes gekommen. Für den Startkredit von einer Million Euro haftete man selbst, Subventionen der Stadt gab es nicht. "Damals haben wir uns schon geärgert darüber", gibt Aumayr zu, aber zum weinenden Auge komme heute ein lachendes: "Wenn du nämlich erst einmal in den Klauen der Subventionspolitik bist, bist du auch ganz schnell weg vom Fenster. Die ganzen Theaterdirektoren sitzen schon auf Feuerstühlen."

Über 80 Prozent Auslastung

Auf öffentliche Unterstützung kann der Stadtsaal heute verzichten. 500.000 Tickets wurden seit dem Start verkauft, die Auslastung liegt laut den Betreibern konstant über 80 Prozent, der hauseigene Buffetbetrieb sichert einen Teil des Budgets. Vom rapiden Aufstieg des Stadtsaals war das Leitungsteam aber selbst überrascht: "Gestartet sind wir mit 375 Sitzplätzen, dann konnten wir bald aufstocken und die Auslastung trotzdem weiter steigern", sagt Till Hofmann.

Der Betreiber des Münchner Lustspielhauses fungiert als Verbindungsmann in die deutsche Szene: "Wien war für die Tourpläne der Deutschen vor ein paar Jahren eher ein weißer Fleck. Heute freuen sie sich, hier spielen zu können", sagt Hofmann und denkt auch gerne ein Stück weiter: "Das Publikum für englischsprachige Comedians wird größer. Inhaltlich könnte man sich auch einmal eine Art Europaprogramm überlegen, gemacht von einem internationalen Ensemble."

Das Kabarett habe bisher gerne das Große ins Kleine gezogen, aktuell sieht Hofmann eher den Trend, das Kleine ins Große zu ziehen. "Das hat neue Frische. Es ist eine total spannende, aber auch unsichere Zeit." Der Idee eines Europaprogramms kann auch Andreas Fuderer einiges abgewinnen, zumal sich "das Bewusstsein, dass uns Europapolitik unmittelbar betrifft, nun auch in Österreich langsam entwickelt".

Dass die Kabarettszene nach wie vor männlich dominiert ist, stellen die Stadtsaalbetreiber nicht in Abrede: "Wir holen aber vermehrt auch die Poetry-Slam-Szene mit herein. Da sind Frauen in der Überzahl. Das ist gut, und oft entwickelt sich daraus dann auch Kabarett", sagt Fuderer. Nachwuchsbühne will der Stadtsaal zwar keine sein: "Hier zu beginnen ist wie Bergsteigen am Himalaja", meint Aumayr. Dafür ergänze man sich aber gut mit dem Niedermair, wo man "auch Sachen ausprobieren" könne. "Dort haben Leute begonnen, die heute den Stadtsaal ausverkaufen."

Die seit Anfang des Jahres erhöhte Mehrwertsteuer auf Tickets nicht geförderter Betriebe sei zwar ärgerlich, der Preis werde sich aber für den Besucher nur unwesentlich um etwa einen Euro erhöhen. Karten gibt es auch weiterhin ab 17 Euro, 60 Prozent der Erlöse kommen bei den Künstlern an.

Läuft alles gut, soll es in Zukunft auch mehr Eigenproduktionen geben – im Sommer bringt man Die Tankstelle der Verdammten von Georg Ringsgwandl in einer Überarbeitung von Thomas Maurer auf die Bühne. Worauf die Stadtsaal-Betreiber seit längerem hoffen, ist eine TV-Kooperation: "Eine junge Kabarettschiene im ORF, das wäre super." (Stefan Weiss, 11.2.2016)