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Radiosender müssen jünger werden.

Das Radio ist schon viele Tode gestorben. Dinah Washington etwa sang Anfang der 50er Jahre "TV is the thing this year/Radio was great, now, it's out of date", The Buggles behaupteten ein Vierteljahrhundert später "Video killed the Radio Star". Bewegtbild als größter Konkurrent. Freitag ist Unesco-Welttag des Radios – und das Medium lebt noch immer. Aber ist es noch zeitgemäß?

Neue Konkurrenten

Heute muss sich das Radio anderer Konkurrenz als der des Fernsehers erwehren. Viele Menschen streamen Musik übers Internet über Anbieter wie Spotify, Deezer oder Apple Music. Das Monopol auf einen Musikmix hat das Radio verloren. Was müssen die Sender tun, um ihre Bedeutung im digitalen Zeitalter nicht zu verlieren?

Drei von vier Deutschen hören der aktuellen Media-Analyse Agma zufolge täglich Radio – ein Wert, der seit Jahren auf ähnlich hohem Niveau ist. Nur das Fernsehen ist mit rund 80 Prozent beliebter. Alles bestens also? Nicht wirklich. Den höchsten Wert – 81 Prozent und mehr – erzielt das Radio bei den 50- bis 69-Jährigen. Bei den 14- bis 29-Jährigen ist die Quote von 2005 bis 2015 hingegen um sechs Punkte auf knapp 67 Prozent gesunken. Ein Weiter-wie-bisher ist also keine Option. Bis dato versuchen viele Sender, junge Menschen mit Präsenz in den sozialen Netzwerken oder Apps fürs Handy zu erreichen. Mittelfristig wird das wohl nicht reichen.

Für die allgemeine Popularität des Radios seien zwei Faktoren entscheidend, sagt Medienwissenschafter Kiron Patka von der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen: zum einen die persönliche Ansprache des Moderators; der Moderator als Marke. Zum anderen der regionale Servicecharakter. Regenjacke oder Wintermantel? Stau oder freie Fahrt? Beide Kompetenzen müssten die Radiosender ausbauen. "Das kann kein Streamingdienst leisten."

Beats 1

Apple versucht es dennoch. Der Konzern hat mit Beats 1 ein Radio in seinen Streamingdienst Apple Music integriert, das rund um die Uhr aus Los Angeles, New York und London moderiert wird. "Egal, wo du bist oder wann du einschaltest, du hörst dasselbe großartige Programm wie alle anderen Hörer", heißt es auf der Webseite. Diese Globalität widerspricht jedoch dem Gebot der Regionalität – Patka glaubt deshalb nicht, dass es funktioniert.

Ein weiteres Plus: "Radio ist das Nebenbei-Medium schlechthin", sagt Kommunikationswissenschafterin Romy Fröhlich von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Der Hörer braucht nichts weiter zu tun, als einzuschalten. Was er nicht zu tun braucht: nachdenken, welches Lied als nächstes läuft. Nicht umsonst tüfteln die Streamingdienste an immer neuen Algorithmen, die den Geschmack des Hörers treffen sollen.

Junge Hörer ansprechen

Was muss das Radio also tun, um alte Hörer zu halten und junge Hörer hinzuzugewinnen? Golo Föllmer, Musik- und Medienwissenschafter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, und Romy Fröhlich sehen die Zukunft in der Individualisierung des Mediums. Einerseits in Sachen Programm, andererseits in Sachen Werbung.

Bisher ist das Radioprogramm vielfach so, wie noch vor Jahrzehnten. Nachrichten, Wetter, Staufunk, Musik und dazwischen der Moderator. Eine Alternative kann personalisiertes Radio sein. Wer keinen Sport mag, der bekommt Alternativen geboten; wer gerne Wortprogramm hört, für den gibt es lange Reportagen und Nachrichtenstücke. Auch eine Taste, mit der Beiträge übersprungen werden können, ist denkbar. Einzelne Versatzstücke, die je nach Hörer verschieden angeordnet sind. Bei den Nachrichten zur vollen Stunde könnte das Programm wieder zusammenlaufen. "Radio a la carte", nennt Fröhlich das.

Ein großer Treiber dieser Entwicklung könnte die Werbebranche sein. Föllmer spricht von "targeted advertising", zielgerichteter Werbung also. Anstelle des Gießkannen-Prinzips – jede Werbung für jeden Hörer – könnten die Werbespots auf die Interessen des einzelnen Hörers abgestimmt werden. "Extrem attraktiv" sei das für die Werber, sagt Fröhlich. In zehn Jahren könnte es Föllmer zufolge soweit sein. Gestorben ist das Radio bis dahin sicher nicht. (APA/Michel Winde/dpa, 8.2.2016)