Landeshauptmann Markus Wallner.

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In Vorarlberg müssen Aslyberechtigte eine Integrationsvereinbarung unterzeichnen. Sie dient als Information über die Bedingen zum Erhalt einer Mindestsicherung. Landeshauptmann Markus Wallner möchte Asylberechtigte so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integrieren. Er schlägt dazu eine Arbeitsstiftung vor.

STANDARD: Ihre Partei diskutiert die Deckelung der Mindestsicherung. Wollen Sie auch kürzen?

Wallner: Mich hat die hysterische Reaktion auf den Vorschlag von Klubobmann Lopatka irritiert. Man sollte in Ruhe über Veränderungen reden. Lopatka liefert einen Anstoß darüber nachzudenken, ob in manchen Fällen der Unterschied zwischen der Höhe des Erwerbseinkommens und der Mindestsicherung nicht zu gering ist. Oft sind das nur 100 bis 200 Euro. Wenn es eine Deckelung geben soll, muss man sich ganz genau anschauen, wie sie aussehen kann. Das ist eine Systemfrage und betrifft nicht nur Asylberechtigte.

STANDARD: Was wäre Ihr Vorschlag?

Wallner: Ich kann nur raten, nicht täglich Raketen abzuschießen, sondern eine ehrliche Diskussion zwischen Koalitionspartnern und Ländern über Lebenshaltungskosten, Wohnungskosten zu führen und zu berücksichtigen, wer zahlt in das Sozialsystem ein, wer nicht. Ich finde, es ist anders zu bewerten, ob jemand nach 30 Jahren Erwerbsarbeit plötzlich in die Mindestsicherung fällt oder jemand, der noch nie in unser Sozialsystem einbezahlt hat. Warum so jemand das gleiche Anrecht hat, wird die Bevölkerung auf Dauer nicht verstehen.

STANDARD: Die Lebenshaltungskosten sind für diese Menschen gleich hoch.

Wallner: Ich weiß. Man muss aber trotzdem einen gewissen Gerechtigkeitssinn wahren und sagen, wer einbezahlt hat, hat ein anderes Recht. Eine weitere Ungleichheit: Wenn ein Arbeitnehmer ein zweites, drittes Kind bekommt, wird sein Lohn nicht gleichzeitig erhöht. Die Mindestsicherung aber schon. Dieser Automatismus muss nicht unbedingt sein.

STANDARD: Das impliziert den Vorwurf, dass manche Großfamilien nicht zufällig so groß sind.

Wallner: Nein, das werfe ich nicht vor. Es wäre höchst an der Zeit zu definieren, was eine Familie an Mindestsicherung braucht. Und was an eigenen Kosten zumutbar ist. Die alte Sozialhilfe hatte eine Bestimmung, dass man nicht mehr bekommen kann, als man vorher verdient hat. Diese Regelung war meines Erachtens sinnvoll.

STANDARD: Sie schließen mit Asylberechtigten eine Integrationsvereinbarung ab, was erwarten Sie sich davon?

Wallner: In Summe einen Impuls für Asylberechtigte und deren Integration. Ich erwarte mir, dass wir den Willen zur Integration vonseiten anerkannter Flüchtlinge verstärken. Von unserer Seite werden Qualifizierungs- und Bildungsangebote geschaffen. Der Zustrom von Flüchtlingen muss aber eingebremst werden, damit wir überhaupt eine Chance auf Integration bekommen.

STANDARD: Warum koppeln Sie die Vereinbarung an die Mindestsicherung?

Wallner: Weil jedem klar sein muss, dass er, wenn er eine staatliche Leistung in Anspruch nimmt, dafür eine Gegenleistung zu erbringen hat. Manchmal hab ich den Eindruck, manche verwechseln die Mindestsicherung mit Grundeinkommen. Das Ziel muss sein, so rasch wie möglich wieder aus der Mindestsicherung herauszukommen. Das gilt für alle. Jedem muss klar sein, dass die Mindestsicherung nur eine Überbrückungshilfe ist.

STANDARD: Wie lange bleiben denn die Menschen in der Mindestsicherung?

Wallner: Generell haben wir in Vorarlberg eine Verbleibzeit von durchschnittlich sechs bis sieben Monaten, das ist akzeptierbar. Abgesehen von Einzelfällen finden die meisten wieder raus. Das ist ein gutes Zeichen, dass der Arbeitsmarkt funktioniert.

STANDARD: Glaubt man den Prognosen, wird das nicht so bleiben.

Wallner: Das AMS schätzt, dass es in etwa fünf Jahre brauchen wird, bis man 50 Prozent der Asylberechtigten auf dem Arbeitsmarkt untergebracht hat. Diese Zahlen haben mich alarmiert. Wir müssen alles daran setzen, dass die Menschen möglichst rasch in den Arbeitsmarkt kommen.

STANDARD: Kann die Integrationsvereinbarung dazu beitragen?

Wallner: Mit der Integrationsvereinbarung übe ich einen gewissen Druck aus und mache ein Angebot. Es gäbe aber sicher auch andere denkbare Modelle: Eine Arbeitsstiftung etwa würde rechtlich auch funktionieren. Man deckt den Lebensunterhalt aus AMS-Mitteln, könnte mit Mindestsicherung aufstocken. Da wären die Leute jedenfalls gezwungen, sich zu qualifizieren.

STANDARD: Warum setzen Sie die Idee nicht um?

Wallner: Es scheitert an den Finanzierungsstrukturen, weil man da AMS-Mittel bräuchte. Meiner Meinung nach wären die Mittel aber vorhanden, würden sie gezielter eingesetzt. Das wäre ein anderer Ansatz als nur über Deckelungen zu diskutieren. Mit einer Deckelung erreiche ich ja noch nicht, dass jemand sich qualifiziert. (Jutta Berger, 6.2.2016)