Das Bad gebührt dem siegreichen Hammel: In "Sture Böcke" ist die Nähe zwischen Mensch und Tier eine große.

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Wien – Dass dem Bauer sein Tier desto mehr ans Herz wächst, je weniger Artgenossen er in greifbarer Nähe hat, kann man gut verstehen. Gummi (Sigurður Sigurjónsson) weiß allerdings seinen Bruder Kiddi (Theodor Júlíusson) gleich nebenan als Nachbarn. Beide sind Schafzüchter in einem der abgelegenen Täler Islands. Beide sind, wie man in Grímur Hákonarsons Film Sture Böcke (Hrutar) bald sieht, in ihrer Profession ausgesprochen erfahren und gut. Beim lokalen Wettbewerb um den prächtigsten Hammel gewinnt Gummi den zweiten Platz. Die Freude darüber währt aber nur genau so lange, bis mit Kiddi der knappe Sieger feststeht.

Warum die beiden Brüder seit Jahren nicht mehr miteinander sprechen, ist in der schwermütigen Komödie, die seit ihrer Auszeichnung bei Un Certain Regard in Cannes zum erfolgreichsten Film Islands avanciert ist, kein Thema. Die mit ihren wuscheligen Vollbärten ihren Schafen gar nicht unähnlichen Männer kommunizieren zur Not über einen Briefhund, und ansonsten geht man sich aus dem Weg. Bis sich mit einem Fall von Traberkrankheit in Kiddis Zucht das Geschehen schlagartig, wenngleich immer noch den Landessitten entsprechend gemächlich zu dramatisieren beginnt.

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Hákonarson gibt das in seinem zweiten Spielilm nach Summerland (2010) die Gelegenheit, die schweigsamen, aber auch selbstgenügsamen Seiten Gummis näher zu erforschen, der sich der Forderung, den gesamten Schafbestand zur Schlachtung freizugeben, einfallsreich widersetzt. In seiner Charakterzeichnung schöpft Sture Böcke dabei aus dem unerschöpflichen Fundus skandinavischer Kinokäuze. Er übernimmt dabei auch jene bewährte lakonische Form, in der die Pausen mitunter die wichtigeren Markierungen setzen als das Gesprochene.

Landschaften und Traktoren

Weder Komik noch Emphase werden jedoch überstrapaziert, was Sture Böcke über manch kalkulierte Arthouse-Ware hinaushebt. An der strengeren Umsetzung hat auch Sturla Brandth Grøvlen Anteil, der Kameramann des One-Take-Kunststücks Victoria. Er nutzt die kargen Landschaften für schöne Breitwandbilder, in denen die Seelen der beiden einsilbigen Helden Auslauf finden. Kiddi freilich erträgt die Einsamkeit weniger gut und muss von Gummi einmal in der Frontschaufel des Traktors volltrunken ins Spital transportiert werden.

Nostalgie gegenüber mittlerweile an den Rand gedrängten Arbeitsformen – etwas, was bei dem Thema naheliegt – vermag Hákonarson mit der Aufrichtigkeit zu entkräften, die er seinen Figuren entgegenbringt. Er erzählt direkt, dennoch dezent. Dass die Liebe zu den Schafen die Brüder wieder näher zueinander bringt, kommt nicht überraschend. Das Schlussbild, eines der schönstes der letzten Zeit, jedoch schon. (Dominik Kamalzadeh, 5.2.2016)