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Viele Krebskranke haben Medizinern gegenüber eine Scheu, sexuelle Fragen zu thematisieren.

Foto: dpa/Markus Heine

Eine Krebserkrankung kann – während der Behandlung oder nach erfolgreicher Therapie – das sexuelle Erleben stark verändern. Das Thema ist allerdings ein Tabu, das in den allermeisten Fällen ausgeklammert bleibt, sagt die Sexualberatungsstelle Salzburg. Das wirkt sich auf das Beziehungsleben aus.

"Krebspatienten erhalten vor der Therapie durchaus ausführlich eine medizinische oder rechtliche Aufklärung. Mit dem Leben danach werden sie aber nach der Rehabilitation oft alleine gelassen", sagt Michael Schreckeis von der Sexualberatungsstelle. Dabei würden besonders die Folgen einer Krebserkrankung für die Sexualität von Ärzten in Gesprächen meist, wenn überhaupt, nur gestreift werden. "Viele Erkrankte haben Medizinern gegenüber zugleich eine Scheu, sexuelle Fragen zu thematisieren. Die Aura des Arztes wird oft als hinderlich erlebt".

Veränderungen von Partnerschaften, der Psyche oder im Empfinden würden auch von Betroffenen und ihren Partnern häufig nicht thematisiert. "Aber genau diese Fakten werden einen massiven Einfluss auf das Beziehungs- und Sexualleben haben." Auch eine Beratung von Paaren schon vor der Krebstherapie gebe es nur in seltenen Fällen. "Angehörige sind in dem, womit sie zu rechnen haben und wie sich etwas auch auf sie auswirken kann, völlig auf sich allein gestellt." Partner fühlten sich selbst oft hilflos,wie sie auf erkrankte bzw. "geheilte" Krebskranke reagieren sollen, hatten Angst, dem Partner Schmerzen zuzufügen oder ein schlechtes Gewissen: "Während einer Erkrankung trennt man sich nicht."

Sex rückt in den Hintergrund

Für ihren Bericht hat die Sexualberatungsstelle Salzburg eine Reihe von Interviews geführt und ausgewertet. Demnach rückt das sexuelle Erleben für krebskranke Menschen während der akuten Behandlungszeit zunächst in den Hintergrund. "Im Vordergrund steht das Überleben." Während der Behandlung sei die Libido häufig reduziert. Auch die Partner räumen in dieser Phase ihren eigenen sexuellen Bedürfnissen wenig Platz ein – auch ihnen geht es primär um die Heilung des Partners.

Betroffene Männer würden über die körperliche Symptomatik hinaus – Inkontinenz, Erektionsprobleme, Empfindungsstörungen, Verlust der Libido – häufig beklagen, in ihrer "Geschlechtsidentität" verletzt zu sein, sich also nicht mehr als Mann zu fühlen. Auch Frauen beschreiben dieses Gefühl. Es begleitet den Libidoverlust und die körperlichen Beschwerden wie Scheidentrockenheit, Erregungsstörungen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Vorverlegung des Wechsels sowie die Veränderung des Körperbildes.

Nackt sein wird Patienten unangenehm

Gleichermaßen schilderten Frauen und Männer ein verändertes Nähe- und Körperempfinden. So wurden Berührungen plötzlich auch als unangenehm empfunden oder Nacktheit vermieden. Die Betroffenen schilderten in den Gesprächen ihr Einzelgängertum, ihre Einsamkeit und ihre Kompromisslosigkeit bei gleichzeitiger anhänglicher Bedürftigkeit. "Selbst wenn ihre Partner sich um sie bemühten, fühlten sich alle Befragten mit ihrer Krankheit alleine gelassen, nicht mehr begehrt, hatten Angst, verlassen zu werden oder entwickeln Eifersuchtsgefühle", so der Bericht. Bei jungen Patienten wurde zudem das Thema Fortpflanzung und Fruchtbarkeit als hochproblematisch erlebt.

Schreckeis sieht zunächst vor allem die Sensibilisierung für das Thema wichtig. "Eine Psychotherapie ist kein Allheilmittel und auch gar nicht immer notwendig. Es ist unser Ziel, niedrigschwellige Gesprächsmöglichkeiten anzubieten. Dass Betroffene überhaupt einmal darauf hingewiesen werden, dass es Probleme geben könnte." Er schlägt vor, quasi als "State-of-the-Art"-Behandlung, Patienten einige Stunden Paartherapie anzubieten. "Man muss das ja nicht in Anspruch nehmen, aber es gehört darauf aufmerksam gemacht." (APA, 5.2.2016)