Sowohl die An- als auch die Abwesenheit bestimmter Bakterien beeinflusst das menschliche Immunsystem: "Wir wissen beispielsweise, dass in Gesellschaften, in denen Helicobacter weiter verbreitet ist, Kinder seltener an Asthma erkranken", sagt Sabine Kienesberger vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz.

Foto: Yutaka Tsutsumi

Graz/New York – Das Bakterium Helicobacter pylori hat einen schlechten Ruf: Es wird für die Entstehung von Schleimhautentzündung und Magengeschwüren verantwortlich gemacht. Es geht aber noch schlimmer: Rund 90 Prozent aller Magenkarzinome lassen sich auf eine chronische Infektion mit Helicobacter pylori zurückführen.

US-amerikanische und Grazer Mikrobiologen wollen den Keim nun von seinem Negativimage befreien. Schließlich könnte er auch positive Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben, wie die Forscher betonen. Dazu haben die Wissenschafter die Auswirkungen einer Helicobacter-Infektion auf Magen, Darm und Lunge über einen Zeitraum von sechs Monaten untersucht.

Weniger Asthma-Erkrankungen

Auf und in unserem Körper leben rund zwei Kilogramm Bakterien. Welche von ihnen "gut" und welche "böse" sind, ist dabei nicht immer so leicht zu unterscheiden, da ihr komplexes Zusammenspiel noch wenig erforscht ist. Mehrere Studien haben aber gezeigt, dass sowohl die An- als auch die Abwesenheit bestimmter Bakterien das menschliche Immunsystem massiv beeinflussen kann. "Wir wissen beispielsweise, dass in Gesellschaften, in denen Helicobacter weiter verbreitet ist, Kinder seltener an Asthma erkranken", erklärt Sabine Kienesberger vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz und Erstautorin der Studie.

Weltweit dürfte die Hälfte aller Menschen mit Helicobacter pylori infiziert sein, häufig verläuft der Befall ohne Symptome. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Bakterium aber schwere Erkrankungen auslösen. Oft wird es deshalb mit Antibiotika bekämpft – selbst dann, wenn der Patient keine Beschwerden hat.

Das Immunsystem stimulieren

Bei der Studie am Mausmodell entdeckte das Team mehrere bisher unbekannte Zusammenhänge. "Unsere Untersuchungen zeigten, dass es bei einer Infektion mit Helicobacter zu einer Anreicherung bestimmter T-Zellen in der Lunge kommt. Diese Zellen spielen eine wichtige Rolle im Immunsystem", sagt Kienesberger.

Die Forscher konnten außerdem Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora feststellen. Diese können wiederum zu einer Stimulierung des Immunsystems führen. Weiters erkannte man Verschiebungen im Hormonhaushalt. "So steigt zum Beispiel die Konzentration des 'Hungerhormons' Ghrelin an. Bei Überproduktion regt es den Appetit an. Von Ghrelin ist bekannt, dass es ebenfalls Auswirkungen auf das Immunsystem hat."

Ideal wäre es, sich die positiven Aspekte der Bakterien zu Nutzen zu machen, ohne sich gleichzeitig ihrer negativen Wirkungen auszusetzen. Letztendlich ist die Studie aber nur ein erster Schritt, um das komplexe Zusammenspiel zwischen Helicobacter, Mikrobiom und Immunsystem zu erforschen. (APA, red, 5.2.2016)