Manfred Scheuch 1929–2016.

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Wien – Manfred Scheuch, der Mittwochfrüh 86-jährig nach einer langen schweren Krankheit gestorben ist, war der Vertreter jener Generation großer sozialdemokratischer Journalisten, die im besten Sinne des Volkes als Aufklärer gewirkt hatten. Nach dem Studium (Dr. phil.) und drei Jahren im Theater wurde er 1963 Mitarbeiter der Arbeiter Zeitung und ab 1970 neunzehn Jahre lang Chefredakteur des Zentralorgans der SPÖ.

Er leitete eine Redaktion, die während der "Goldenen Zeit" der Kreisky-Ära aus begabten und eigenwilligen Journalisten bestand, die bis heute den österreichischen Journalismus in verschiedenen Zeitungen mitprägen. Er hat für Ausgleich in einer schwierigen Mannschaft gesorgt. Zugleich war er nie bereit, Konzessionen auf Kosten der Gesinnung zu machen.

Er hat für den STANDARD große historische und zeitgeschichtliche Serien verfasst, die dann zum Teil die Grundlage für neun Bücher bildeten. Diese reichten von historischen Atlassen bis zu Nackt – Kulturgeschichte eines Tabus. Auch nach seinem Ausscheiden aus der Redaktion der Arbeiter Zeitung, die nach einem kurzen und traurigen Intermezzo von der SPÖ eingestellt wurde, hat ihn seine Partei noch oft und lange Jahre um Rat gebeten. Er hat auch noch mehrere Jahre für diverse SPÖ-Publikationen geschrieben.

Ich habe ihn auf einer gemeinsamen Balkanreise mit dem damaligen Außenminister Bruno Kreisky in den späten 1960er-Jahren persönlich kennen- und schätzen gelernt. Es war ein großes persönliches Glück für mich, dass ich fast zwei Jahrzehnte mit ihm in der Redaktion der Vierteljahreszeitschrift Europäische Rundschau zusammenarbeiten durfte.

Kämpfer gegen Rassismus

Er war trotz seiner profunden historischen Kenntnisse und journalistischer Begabung ein außerordentlich bescheidener Mensch. Ein Humanist, zugleich ein überzeugter Kämpfer gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.

In einer Branche, in der leider oft die durch Freundlichkeit kaschierte Hinterhältigkeit den Ton bestimmt, war dieser stille und gute Kollege im wahren Sinne des Wortes ein Solitär. Er war und bleibt über politische und weltanschauliche Grenzen hinweg ein Beispiel für menschliche Geradlinigkeit und journalistisches Ethos. (Paul Lendvai, 3.2.2016)