Am Ende wurde es richtig gemütlich: Russlands Premier Dmitri Medwedew empfing Mitterlehner zum Abschluss von dessen zweitägigen Arbeitsbesuch im Kaminzimmer seiner Moskauer Vorstadtresidenz Gorki-3 und überreichte ihm nach einem halbstündigen Plausch den russischen Freundschaftsorden.
Ebenso wichtig für den österreichischen Vizekanzler dürfte die Forcierung des Pipelineprojekts Nord Stream 2 sein. In allen seinen Gesprächen mit russischen Regierungsmitgliedern brachte Mitterlehner die geplante Erweiterung der Ostseepipeline auf den Tisch. Österreich wolle nicht abhängig von der Regierung in der Ukraine und deren Leitungssystem sein, versicherte er Medwedew, wenn er auch den bestehenden Transitvertrag bis 2019 als sicher bezeichnete.
Kritik an Kiew und Brüssel
Kritik übte Mitterlehner nicht nur an Kiew, sondern auch an Brüssel. Schon am Vormittag beim Treffen mit Russlands Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew beklagte er, die einst guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Österreich seien "auf anderer Ebene" verdorben worden. Politisch hätten die Sanktionen keine Fortschritte gebracht, dafür aber viele Nachteile, schalt er. Dies wiederholte er – eben zurückgekehrt – am Abend auch in der ZiB2 des ORF: "Wir haben uns beschädigt."
Sein Land könne zwar nicht allein aus der Sanktionspolitik ausscheren, werde aber innerhalb der Europäischen Union darauf hinarbeiten, ein Ende der Sanktionen zu erreichen, versprach Mitterlehner mit Verweis auf das Minsker Abkommen sowohl in Moskau als auch – später – in Wien.
Solche Worte kommen gut an in Moskau. "Niemandem tun die Sanktionen gut" , so Medwedew. Russland werde abwarten, ob es Bewegung bei der EU gebe.
Mitterlehners Charmeoffensive wurde dennoch belohnt. Medwedew jedenfalls sagte seinem Gast gemeinsame Anstrengungen beim Vorantreiben von Nord Stream 2 zu und regte an, den Widerstand der osteuropäischen EU-Länder dadurch zu besänftigen, indem sie "mit ins Boot" geholt und ihre Transitausfälle ersetzt würden. Mitterlehner stellte die Sicherheit der Gasversorgung in den Mittelpunkt, doch es gibt auch handfeste wirtschaftliche Interessen für die Realisierung von Nord Stream 2. Die OMV ist seit September einer der Gesellschafter des Projekts. OMV-Chef Rainer Seele begleitete Mitterlehner auf der Moskau-Reise.
Klientelpolitik
Klientelpolitik wird aber nicht nur in Wien betrieben: Mitterlehner war kaum abgereist, da landete schon Horst Seehofer in Moskau. Auch Bayerns Ministerpräsident ist um die eigene Wirtschaft besorgt und ließ sich trotz aller Kritik – auch aus den eigenen Reihen – einen Termin mit Präsident Wladimir Putin geben. Von einer "Verschwörung" gegen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, als deren Gegner Seehofer gilt, wollte der Kreml allerdings nichts wissen. Das Treffen sei wichtig, um trotz all der Restriktionen im Dialog mit Deutschland zu bleiben, sagte Peskow. Dass auch Seehofer ein Kritiker der Sanktionen ist, habe bei dem Termin aber nicht geschadet, fügte er hinzu. (André Ballin aus Moskau, 3.2.2016)