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In der Stadt Recife im Nordosten Brasiliens: Zur Bekämpfung des Zika-Virus versprüht ein Mann in Schutzkleidung Insektizide. Die Kinder dahinter halten sich die Nase zu.

Foto: Reuters / Ueslei Marcelino

Die Patientinnen wollen ihren Namen nicht offen nennen. Aber in sozialen Netzwerken berichten sie von der Panik und Verzweiflung, als sie Hautausschlag, Gliederschmerzen und leichtes Fieber bei sich feststellten. Die Schwangeren haben sich mit dem Zika-Virus infiziert. Ob ihre Babys mit Schädelfehlbildung (Mikrozephalie) und schweren Entwicklungsstörungen zur Welt kommen, wissen sie nicht. Doch für viele Schwangere ist allein aufgrund des Risikos der nächste Schritt klar: Sie lassen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen.

Immer offener berichten Ärzte von steigenden Zahlen bei "präventiven Schwangerschaftsabbrüchen". Vor allem Frauen aus der Mittelklasse mit guter Ausbildung würden diesen Schritt wählen, erzählen sie der Zeitung "Folha de São Paulo". Denn die Kosten für solch einen Eingriff betragen umgerechnet bis zu 4.000 Euro – das entspricht bei Mindestlohn einem Jahresgehalt.

800.000 illegale Abtreibungen jährlich

Die Zika-Epidemie berührt ein heikles Thema. Abtreibungen sind in Brasilien illegal, außer es liegt ein juristisch bestätigter Fall von Vergewaltigung vor oder das Leben der Mutter steht auf dem Spiel. Jährlich werden aber in Brasilien laut Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mindestens 800.000 illegale Abtreibungen vorgenommen, rund 90 Prozent davon unter hygienisch katastrophalen Umständen.

"Wenn eine wohlhabende Frau eine Abtreibung vornimmt, passiert normalerweise nichts", sagt auch Drauzio Varella, einer der bekanntesten Ärzte Brasiliens, "aber für eine Frau aus der Favela ist es oft ein Todesurteil." Laut WHO stirbt alle zwei Tage eine Frau an den Folgen einer verpfuschten Abtreibung. Frauenorganisationen gehen von weitaus höheren Zahlen aus und befürchten, dass diese jetzt sprunghaft ansteigen.

Schwangerschaft verschieben

Die schwierige Debatte bringt auch viele Ärzte in eine ethische Zwickmühle. "Mikrozephalie kann mit Sicherheit erst im letzten Schwangerschaftsdrittel diagnostiziert werden. Das bedeutet, es würde ein fast lebensfähiger Fötus zu Beginn des siebenten Monats abgetrieben werden", gibt auch Varella zu bedenken. Brasilianische Regierungsvertreter rufen Frauen jetzt auf, eine Schwangerschaft zu verschieben. Feministische Organisationen entgegnen aber, dass viele ärmere Frauen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben.

Doch es gibt auch andere Stimmen. "Ich existiere, weil sich meine Mutter gegen eine Abtreibung entschieden hat", schreibt die 24-jährige Ana Carolina Cáceres auf ihrer Facebook-Seite. Ana Carolina wurde mit Mikrozephalie geboren, ihr Gehirn ist kleiner als das anderer Erwachsener. Die junge Frau setzt sich gegen eine Kampagne ein, die für das Recht auf Abtreibung bei diagnostizierter Schädelfehlbildung kämpft.

Initiatorin ist die Juristin Debora Diniz. Sie macht in einer Klage vor dem Obersten Gerichtshof den brasilianischen Staat für die Ausbreitung des Virus verantwortlich, weil dieser keine Maßnahmen zur Bekämpfung des Überträgers, der Stechmücke Aedes aegypti, getroffen habe. "Deshalb dürfen Frauen für die Folgen dieses Fehlverhaltens nicht bestraft werden", argumentiert sie.

Von Olympia-Besuch wird abgeraten

Auch mit Blick auf die Olympischen Spiele im August in Rio de Janeiro ist die Besorgnis groß. Jetzt erließ die Regierung eine offizielle Reisewarnung für Schwangere. "Das Risiko ist sehr ernst zu nehmen", erklärte Präsidialamtsminister Jaques Wagner.

Inzwischen hat die WHO den globalen Gesundheitsnotstand aufgrund der dramatisch gestiegenen Zahl von Neugeborenen mit Schädelfehlbildung ausgerufen. Noch immer ist der genaue Infektionsweg des Zika-Virus über die Mutter in den Fötus nicht wissenschaftlich geklärt. Die WHO hofft, dass international koordiniertes Handeln die Ausbreitung des Überträgers eindämmen kann und die Forschung für eine Schutzimpfung vorangetrieben wird. (Susanne Kreutzmann aus São Paulo, 3.2.2016)