Nach unserer Verfassung ist Österreich eine Demokratie. Auch in Verfassungen diktatorischer Staaten steht das geschrieben. Trotzdem ist es in der Wirkung nicht dasselbe. Papier ist geduldig. Seit vielen Jahren wird über das Amt des Bundespräsidenten, gemäß der Verfassung das höchste, diskutiert. Mit der bevorstehenden Wahl eines neuen Bundespräsidenten heuer haben sich die Diskussionen vermehrt. Von der Aufwertung über die Reduzierung der Kompetenzen bis zur gänzlichen Abschaffung ist alles zu finden.

Doch der Idee unserer Verfassung wird das nicht gerecht. Dem Bundespräsidenten als höchstem Organ sollten weitere Kompetenzen zukommen, wo immer ein Bedarf nach unabhängiger, höherer Kontrolle besteht. Deshalb – als Beispiele:

1. Die Gesetze, Staatsverträge, Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Bundesländern sowie Verordnungen sollten nicht mehr am Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft treten dürfen, weil das dem Grundsatz der Demokratie widerspricht und ein Missbrauch ist, sondern erst einen Monat danach. Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Zeit bekommen, sich über das neue Recht zu informieren, sonst wäre es bloß ein Fetzen Papier. Und die Titel aller neuen Rechtsnormen müssten laufend in den wichtigsten Zeitungen auf Kosten des Bundes abgedruckt werden.

Der Bundespräsident sollte ermächtigt werden, über einen Antrag des Nationalrats eine Norm ausnahmsweise früher in Kraft treten zu lassen, wenn dafür eine besondere Dringlichkeit bestünde, die nicht durch eine vermeidbare Verzögerung des Gesetzgebungsablaufs stattgefunden hätte.

2. Wesentlich ist, dass dem Bundespräsidenten immer dann eine besondere Ermächtigung erteilt wird, wo es um die Beseitigung von Missständen geht. Ein Missstand ist es auch, wenn Gesetze so umständlich und unübersichtlich formuliert werden, dass sie selbst von durchschnittlich gebildeten Bürgern nicht ohne weiteres verstanden werden können. Der Bundespräsident müsste ermächtigt werden, einen Fachmann oder eine Fachfrau zu ernennen, der/die gemeinsam mit dem Nationalrat einen gut verständlichen Text ausarbeiten soll, der zum Recht wird. Sonst erweist sich der demokratische Grundsatz als ein Fetzen Papier.

3. Dem Bundespräsidenten sollte das Recht eingeräumt werden, gegen Gesetze mit verfassungsrechtlichen Einzelbestimmungen ein unaufschiebbares Veto einzulegen. Der Nationalrat dürfte dann den Verfassungsgerichtshof anrufen, der über die Notwendigkeit und Verfassungsmäßigkeit der Sonderbestimmung entscheiden müsste.

4. Der Bundespräsident sollte gegen Rechtsnormen mit mehr als fünf Änderungen im Vergleich zur bisherigen Fassung ein Veto einbringen dürfen, welches dann gesetzlich nicht umgangen werden dürfte.

5. Wo immer die Gesetzgebung, auch die der Bundesländer, zu Missbräuchen führt, soll eine ergänzende Vetomacht des Bundespräsidenten eingeführt werden. (Rudolf Zitta, 2.2.2016)