Wer trotz negativen Bescheids nicht beruft, soll künftig eine höhere finanzielle Hilfe bekommen.

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Frage: Die Regierung will bis 2019 mindestens 50.000 Abschiebungen durchführen. Ist das überhaupt eine realistische Größenordnung?

Antwort: Es wäre im Vergleich zum Vorjahr, als es 8365 Abschiebungen gab, zwar eine deutliche Steigerung. Allerdings gab es auch bereits 2004 (11.509) und 2006 (10.922) hohe Zahlen an Außerlandesbringungen. Im Vorjahr kamen zwar gut zwei Drittel der 90.000 Asylanträge von Syrern, Afghanen und Irakern, die hohe Anerkennungsquoten haben. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass fast ein Drittel der Anträge aus anderen Ländern kam.

Frage: Wie viele Menschen verlassen Österreich freiwillig wieder?

Antwort: Im Vorjahr gingen 5087 freiwillig, 3278 wurden zwangsweise abgeschoben. Auch im langjährigen Schnitt lag der Freiwilligenanteil bei rund 60 Prozent.

Frage: In welche Länder gehen die Menschen vor allem zurück?

Antwort: Eine exakte Statistik konnte das Innenministerium auf Anfrage nicht vorlegen. Eine Orientierung liefert der Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ), über den im Vorjahr 2512 freiwillige Ausreisen liefen. Die meisten Heimkehrer gab es demnach 2015 in den Kosovo (592) und den Irak (429), gefolgt von Serbien (213) und Russland/Tschetschenien (175). Zuletzt hat sich das aber etwas gewandelt: Im Jänner gab es die meisten Heimreisen in den Irak (128), gefolgt vom Iran (47) und Afghanistan (45).

Frage: Über wen laufen Abschiebungen/Rückkehrberatungen?

Antwort: Neben dem VMÖ organisieren auch Caritas, das Land Kärnten und der Verein Menschen leben freiwillige Heim reisen. Zwangsweise Abschiebungen erfolgen durch das Innenministerium. Dazu wurden im Vorjahr unter anderem 32 Chartermaschinen eingesetzt.

Frage: Warum gehen Iraker oder Afghanen freiwillig, wo sie doch gute Chancen auf Asyl haben?

Antwort: Zunächst: Die Rückkehrberatung richtet sich nicht nur an Flüchtlinge, die bereits einen Bescheid in der Hand haben. VMÖ-Chef Günter Ecker meint, dass zunehmend auch Flüchtlinge von der langen Verfahrensdauer und den Aufnahmebedingungen enttäuscht seien und deshalb gehen.

Frage: Gibt es finanzielle Anreize?

Antwort: Wer freiwillig geht, kann derzeit bis zu 370 Euro an Hilfe bekommen, pro Kind sind weitere 200 Euro möglich. In der Praxis gibt es meist 100 bis 150 Euro pro Kopf. Die Höhe hängt von der Lage im Herkunftsland und der Aufenthaltsdauer in Österreich ab. Kosovaren bekommen im Schnitt 50 Euro, Afghanen eher 370. In Afghanistan und in Tschetschenien finanziert Österreich zudem Reintegrationsprojekte. Künftig soll die Rückkehrhilfe auf 500 Euro steigen, wenn man gleich nach einem negativen Bescheid geht. Beruft man, sollen es maximal 250 Euro sein, bei einer zwangsweisen Abschiebung nur 50 Euro.

Frage: Vor welchen Problemen stehen Hilfsorganisationen nach einem negativen Bescheid?

Antwort: Wenn ein Asylverfahren negativ endet, gehe es "oft recht schnell", sagt der Wiener Rot-Kreuz-Sprecher Alexander Tröbinger. Für gewöhnlich stellen zwei Polizisten den negativen Bescheid im Quartier zu. Sobald dieser unterschrieben ist, bleibt kaum Zeit für Beratung oder um einen Einspruch zu formulieren. In den darauffolgenden Tagen wird der Asylwerber für die Abschiebung – ohne Vorwarnung – von der Polizei abgeholt. Die Polizei gebe den Abzuschiebenden etwa eine Viertelstunde Zeit, um ihre Sachen zu packen, erzählt auch Eveline Ronge von der Wiener Volkshilfe.

Frage: Wie werden die Asylwerber auf den Bescheid vorbereitet?

Antwort: Schon während des Verfahrens bieten Hilfsorganisationen eine Rückkehrberatung an. Wird ein negativer Bescheid zugestellt, wird darüber beraten, ob dagegen Einspruch erhoben oder ein anderer legaler Aufenthaltstitel angestrebt werden soll.

Frage: Was ändert sich, wenn Marokko, Algerien, Tunesien, Georgien, Ghana und die Mongolei zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden?

Antwort: Diese Verfahren können beschleunigt durchgeführt werden. Wird ein negativer Bescheid ausgestellt, hat eine Berufung keine aufschiebende Wirkung mehr. Zwei Grundprobleme für die Behörden bleiben aber. Erstens: Diese Länder stellen oft keine Heim reisezertifikate aus, weshalb die EU versucht, Rücknahmeabkommen auszuhandeln. Zweitens: Gibt ein Flüchtling seine tatsächliche Identität nicht bekannt, ist eine Abschiebung ebenfalls kaum möglich.

Frage: Was passiert mit denen, die trotz negativen Bescheids nicht abgeschoben werden können?

Antwort: Rechtlich spricht man von einer Duldung, die aber jederzeit widerrufen werden kann. Diese Menschen können in der Grundversorgung bleiben, dürfen aber nicht arbeiten. In der Praxis tauchen laut Ecker viele – vor allem aus Marokko und Algerien – unter. (Oona Kroisleitner, Günther Oswald, 2.2.2016)