Die am Montag im kleinen US-Bundesstaat Iowa in Gang gesetzte komplizierte Maschinerie der Vorwahlen wird bis zu den Nominierungsparteitagen der Republikaner und Demokraten im Juli für die Präsidentschaftskandidaten bei der Wahl am 8. November die internationale Berichterstattung über die Vereinigten Staaten beherrschen. Dass die Vorwahlkampagne selten "so hässlich, so unsicher und so bizarr" gewesen sei wie jetzt, stellte das Londoner Weltblatt Economist zu Recht fest.

Diese Wertung wurde durch die abenteuerlichen Aussagen des Milliardärs Donald Trump bei den Meinungsumfragen ausgelöst. Der populistische Geschäftsmann scheint die Unterstützung der "schweigenden Mehrheit" der weißen christlichen Unterschicht mit Forderungen nach "einem Einreisestopp für alle Muslime", der Deportation von allen elf Millionen Illegalen im Lande nach Mexiko binnen zweier Jahre und dem Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko zu gewinnen. Die Hetze gegen Washington und Brüssel, die Beschimpfung der Medien und sein Wahlkampfmotto "Make America great again" erfüllen die Sehnsucht nach einem starken Mann in Washington und erwecken die Nostalgie nach alter Größe, die Präsident Obama durch seine Schwäche und Kompromissbereitschaft angeblich verspielt haben soll.

Dass der derzeit zweitstärkste, weit rechts stehende Kandidat, Senator Ted Cruz aus Texas, eine ultrakonservative, extrem bigotte Linie vertritt, schadet auch den Chancen der Republikaner unter den parteilosen Wählern.

Der Spiegel nennt in einer Titelgeschichte Trump als den "derzeit gefährlichsten Mann der Welt". Dies mag der üblichen Dramatisierungstechnik des Hamburger Nachrichtenmagazins entsprechen, doch wäre es unklug, die Chance auszuschließen, dass Trump trotz der Zurückhaltung der alten Garde der Republikaner und der scharfen Medienkritik, falls er bei den Vorwahlen gut abschneidet, doch zum Präsidentschaftskandidaten nominiert werden könnte.

In einem möglichen Duell mit Hillary Clinton schien Trump noch vor einigen Wochen kaum Chancen zu haben. Obwohl die New York Times in einem Leitartikel am Sonntag Hillary Clinton als den "am meisten qualifizierten Kandidaten für die Präsidentschaft in der modernen Geschichte" im Namen der Redaktion dieses bedeutenden Blattes in den Himmel hob, dürfte die 68-Jährige gerade bei den symbolträchtigen ersten Vorwahlen in den nächsten Wochen nicht so glänzend abschneiden wie früher erwartet.

Bernie Sanders, der 74-Jährige linke Senator aus Vermont, drückt als "demokratischer Sozialist" die Enttäuschung der jungen und gebildeten "Wutbürger" wegen der ständig wachsenden Kluft zwischen Reich und Arm aus und findet trotz der verbesserten Wirtschaftslage und der Senkung der Arbeitslosenrate starken Zuspruch für seine Angriffe gegen den Kapitalismus und für die Abschaffung der Studiengebühren in der Schicht der 18- bis 29-Jährigen.

Die Karrieren von Richard Nixon und Barack Obama beweisen, dass in Amerika Außenseiter auch eine Chance haben. In dieser großen Demokratie kann also bis zur Präsidentschaftswahl im November alles passieren. (Paul Lendvai, 1.2.2016)