Die Existenz eines neunten Planeten im Sonnensystem ist durchaus möglich. Aber wenn, dann wird er mithilfe wissenschaftlicher Methoden entdeckt werden, nicht durch telepathische Alienbotschaften.

Illustr.: r. hurt/california institute of technology

Auch wenn in den vergangenen Wochen viele Medien seine Entdeckung quasi schon verkündet haben: Den "Planeten 9", der weit entfernt der Sonne seine Runden drehen soll, ist noch längst nicht gefunden. Es gibt weiterhin nur indirekte Hinweise auf seine Existenz – die sind dafür aber mittlerweile ziemlich vielversprechend.

Bei solchen Nachrichten aus der Wissenschaft horchen auch die Esoteriker und Pseudowissenschafter gern auf. Denn sie haben ebenfalls seit längerer Zeit unbekannte Planeten im Repertoire. Sie heißen "Planet X", "Nibiru" oder "Hercolobus", und abgesehen davon, dass sie uns (natürlich!) alle auf die eine oder andere Art den Weltuntergang bringen sollen, haben sie eines gemeinsam: Es gibt sie nicht, und es kann sie auch nicht geben.

Versklavte Menschheit

1976 schrieb Zecharia Sitchin (der sich selbst "Altertumsforscher" nannte) ein Buch mit dem Titel "The 12th planet" ("Der zwölfte Planet"). Darin erzählt er, was er angeblich aus alten sumerischen Texten herausgelesen haben will – es klingt wie ein Science-Fiction-Film: Als unser Sonnensystem entstand, existierte ein Planet zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter, der den Namen "Tiamat" trug. Dann drang irgendwann ein weiterer Planet – er hieß "Nibiru" – von außerhalb in unser Sonnensystem ein und stieß mit "Tiamat" zusammen.

"Nibiru" überstand die Kollision, "Tiamat" zerbrach in zwei Hälften. Aus der einen Hälfte entstand der heute noch existierende Asteroidengürtel, die andere wurde zu unserer Erde. Auf "Nibiru" entwickelte sich Leben und die mächtige Zivilisation der "Annunaki". Irgendwann ruinierten die "Annunaki" aber ihre Umwelt und brauchten (warum auch immer) nun große Mengen an Gold, um ihre Atmosphäre zu reinigen. Daher flogen sie vor etwa 450.000 Jahren zur Erde und schufen eine Rasse von Arbeitssklaven: die Menschen!

Laut Sitchin kommt "Nibiru" alle 3.600 Jahre der Erde nahe – und damit auch die "Annunaki". Und wenn sie wieder da sind – was laut den diversen Anhängern Sitchins und den Weltuntergangspropheten natürlich sehr bald sein wird – müssen wir erneut in den Goldbergwerken der Aliens schuften.

Kippende Erdachse

Ganz anders, aber nicht weniger absurd ist da die Geschichte von "Planet X". Dieser Begriff wird zwar auch von Astronomen verwendet, um ganz allgemein alle noch eventuell vorhandenen größeren Himmelskörper im äußeren Sonnensystem zu bezeichnen. Aber in der Esoterikszene ist damit der Planet gemeint, von dem eine gewisse Nancy Lieder aus den USA erstmals berichtet hat.

1995 veröffentlichte Lieder – eine Hausfrau aus Wisconsin– auf ihrer Internetseite die Gespräche, die sie angeblich telepathisch mit den Außerirdischen vom Stern "Zeta Reticuli" geführt hat. Diese "Zetas" erzählten von allen möglichen Dingen, unter anderem von einem "Planeten X", der in naher Zukunft große Katastrophen auf der Erde herbeiführen wird. Lieder und die "Zetas" waren sich sicher: Im Frühling 2003 würde "Planet X" der Erde nahekommen und dafür sorgen, dass die Erdachse kippt.

Neunzig Prozent der Menschheit würden sterben. Es existierten nur wenige sichere Plätze auf der Erde, und wer wissen wollte, wo sie würen, müsse nur die "Zetas" fragen. Nancy Lieder scheute vor Panikmache nicht zurück: In einer Radiosendung wenige Tage vor dem angeblichen Weltuntergang erklärte sie den Hörern noch schnell, wie sie ihre Haustiere am besten umbringen sollten, um ihnen die Qual der kommenden Katastrophe zu ersparen.

Absichtliche Täuschung

Nun haben wir ja das Jahr 2003 offensichtlich überlebt, was die "Zetas" aber nicht irritiert hat. Denn wie sie beziehungsweise Nancy Lieder später verkündeten: Alles wäre nur eine absichtliche Täuschung gewesen. Hätten sie das Datum des Weltuntergangs zu früh bekanntgeben, dann hätten die Regierungen das Kriegsrecht erklärt, die Menschen in den Städten gefangen gehalten, und niemand hätte zu den sicheren Plätzen fliehen können. Aber "Planet X" wird kommen, keine Sorge! Die große Katastrophe steht kurz bevor, und bei "ZetaTalk" kann man sich weiterhin über den baldigen Weltuntergang informieren.

Allen ausgebliebenen Weltuntergängen zum Trotz ist die Welt der Verschwörungstheoretiker immer noch voll mit verschiedensten todbringenden Planeten. Die anhaltende Begeisterung für die unbekannten Himmelskörper kann allerdings nur in Widerspruch zu den in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrzehnten gewonnenen Erkenntnissen der Astronomie existieren. Seit Isaac Newton und Johannes Kepler wissen wir, wie sich Planeten bewegen, und können deren Bewegung auch vorhersagen.

Mittlerweile so genau, dass sich Raumsonden punktgenau über unvorstellbare Entfernungen an ihr Ziel steuern lassen. Verstünden wir die Bewegung der Himmelskörper nicht, wäre zum Beispiel die Raumsonde New Horizons im vergangenen Jahr nicht exakt wie geplant an Pluto vorbeigeflogen, sondern irgendwo durch den leeren Weltraum gesaust. Aber da wir schon im Jänner 2006 beim Start der Sonde genau vorherberechnen konnten, wo sich Pluto im Juli 2015 befinden würde, erreichte New Horizons ihr Ziel.

Fehlende Fakten

Gäbe es "Nibiru" oder den "Planeten X" der "Zetas" tatsächlich und würde sich so ein Planet regelmäßig der Erde nähern, dann könnte er das nicht irgendwie tun, sondern auf einer durch das Gravitationsgesetz vorgegebenen Bahn. Diese Bahn lässt sich berechnen, und damit lässt sich einerseits zeigen, dass so ein Planet schon sehr lange vor seiner Ankunft bei der Erde entdeckt werden könnte. Andererseits ist so eine Bahn, die regelmäßig von der Erde bis weit hinaus ins Sonnensystem führt, aber auch instabil. So ein Planet kann nicht existieren.

Wenn es fern der Sonne noch weitere Planeten gibt, und die meisten Astronomen gehen durchaus davon aus, dass das so ist, dann werden sie nicht leicht zu entdecken sein. Denn sie müssen zwangsläufig immer weit entfernt von der Sonne bleiben, ansonsten hätten sie sich schon längst bemerkbar gemacht. Bis jetzt haben wir nur ein paar Auffälligkeiten in den Bahnen einiger weit entfernter Asteroiden gefunden, die nahelegen, dass sie von den Störungen eines noch weit entfernten Planeten herrühren können. Ein Planet, der so fern der Sonne ist, dass er sich in nächster Zeit so gut wie nicht beobachten lassen wird (wenn es ihn denn überhaupt gibt).

Aber wenn er irgendwann doch gefunden wird, dann dank der Arbeit vieler Astronominnen und Astronomen, die sich in jahrelanger Forschung bemüht haben, unser Sonnensystem zu verstehen. "Planet 9" wird von Wissenschaftern durch die Anwendung wissenschaftlicher Methoden entdeckt werden, und nicht durch telepathische Botschaften von Aliens oder Schauergeschichten vom Weltuntergang.

Ausbeutung des Unwissens

In den äußeren Bereichen unseres Sonnensystems gibt es mit Sicherheit noch einiges zu entdecken. Die dunklen, unbekannten Regionen haben Potenzial für viele Überraschungen. Aber leider wird das Unbekannte auch immer genutzt, um die Ängste und Hoffnungen der Unwissenden zu verstärken.

Solange es immer noch so viele Menschen gibt, die keine wirkliche Ahnung von den Vorgängen im Universum haben, kann man ihnen auch einreden, dass da draußen, wo die Astronomen noch nicht hingesehen haben, irgendwelche bösen Planeten lauern, die nur darauf warten, hervorzuspringen und die Erde zu vernichten. Und ein weiteres Mal die Faszination der Menschheit für das Unbekannte ausnutzen, um mit Panikmache Geld zu verdienen. (Florian Freistetter, 2. 2.2016)