Flugzeuge der Größe einer Boeing 757 sieht man in Dubuque, Iowa, eher selten – noch dazu, wenn sie einem Multimillionär und Neopolitiker wie Donald Trump gehören.

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Hillary Clinton versucht sich unterdessen mit einem schlichten Barhocker volksnah zu inszenieren.

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Ehe Hillary Clinton die Bühne betritt, räumen Helfer das Rednerpult weg und lassen nur einen Barhocker stehen. Locker soll es zugehen, bloß nicht oberlehrerhaft – so locker, wie Bill Clinton wirkt, als er aufs Podium tänzelt, um das Publikum in der Turnhalle der Washington High School in Cedar Rapids, Iowa, auf den Auftritt seiner Gattin einzustimmen. Der Expräsident trägt ein großkariertes Holzfällerhemd, darüber ein legeres Sakko. Natürlich keine Krawatte. Gerade hat seine schwangere Tochter Chelsea ein paar nette Worte über die bodenständigen Bewohner Iowas gesagt, nun greift er selbst zum Mi krofon: "Amerika ist das Land, das von allen mit den besten Voraussetzungen ins 21. Jahrhundert geht. Nur spüren es zu viele unserer Leute im Augenblick nicht."

Damit ist der Kontrapunkt gesetzt: hier der aufgeklärte Optimismus der Clintons, dort die düstere Lagebeschreibung eines Donald Trump, dessen Standardzeile lautet, dass Amerika nichts mehr gewinnt. Clinton gegen Trump, orakeln viele, darauf könnte es im herbstlichen Wahlfinale hinauslaufen. Doch zunächst einmal muss die Hürde Iowa genommen werden: Heute, Montag, beginnen hier die Vorwahlen um die Präsidentschaftskandidatur – in einem Staat, der bestimmt kein Abbild der USA ist, sondern weißer, ländlicher, älter, religiöser als der Durchschnitt des Landes.

Ziel: Top-Platzierung

Auch wenn der Sieg in Iowa für sich genommen nicht viel bedeutet, so sind es doch die ersten Meter, die dem Rennen eine eigene Dynamik geben. Man müsse hier nicht unbedingt gewinnen, aber einen der drei vorderen Plätze belegen sollte man schon, sonst gehe der Schwung schnell verloren, meint David Yepsen, lange Zeit Politikchef beim Des Moines Register, der größten Zeitung Iowas.

Umgekehrt gilt: Wer sowohl in Iowa als auch später in New Hampshire die Nase vorn hat, hat seine parteiinternen Gegner schon so gut wie besiegt – wobei Ausnahmen natürlich die Regel bestätigen.

Also hetzt Hillary Clinton am letzten Wochenende vor dem Votum von Schule zu Schule, vom Diner zur Dorfbibliothek, vom Kirtag zur Kongresshalle. Sie muss alles mobilisieren, um Bernie Sanders, den linken Senator aus Vermont, in die Schranken zu weisen, den noch im Sommer belächelten Außenseiter, der sich in Iowa ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ihr liefern und sie in New Hampshire sogar klar besiegen könnte.

In Cedar Rapids versucht sie es, indem sie ein Programm skizziert, das man "Sanders light" nennen könnte. Ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm, die Reichen höher besteuern, die Steuerflucht von Konzernen verhindern: Vieles von dem, was die frühere Außenministerin vorschlägt, hat ihr Konkurrent bereits lange vor ihr gefordert.

Trump, der Reibebaum

Damit bestimmt er nun die Agenda, und Clinton rückt selbst weiter nach links, eher getrieben als freiwillig. Nur in einem Punkt widerspricht sie Sanders: Wenn er die Studiengebühren abschaffen wolle, dann müsse sie einwenden: Das gehe zu weit. Unigebühren reduzieren, zinsgünstige Studentenkredite garantieren – das ja. Aber ganz darauf verzichten? "Das würde ja bedeuten, dass wir dem jüngsten Sohn Donald Trumps zu einem freien College verhelfen", spitzt sie es zu. "Und das wäre bestimmt nicht fair."

Trump – immer wieder Trump. In Clinton, einer Kleinstadt am Mississippi, warten an die zweitausend Menschen in einer Basketball-Arena auf den Immobilienmogul; Neugierige, Schaulustige, Anhänger. Der Kandidat verspätet sich, was er damit begründet, dass seine Privatmaschine, eine unter anderem mit goldfarbenen Gurtschnallen ausgestattete Boeing 757, direkt in Clinton, Iowa, nicht landen kann und er – ungewohnt – 100 Kilometer im Auto zurücklegen musste.

Da nicken die Fans mit den Trump-Fibeln "The Art of the Deal" unterm Arm, Ratgebern zur Kunst des Handels, die ihr Idol später signiert, schon ziemlich andächtig: ein Mann, der sich ein 100-Millionen-Dollar-Flugzeug für sich allein leisten kann!

Einzug des Triumphators

Kurz bevor Trump demonstrativ dynamisch in den Saal läuft, dröhnt eine Opernarie aus den Lautsprechern: Nessun dorma. Es wirkt wie beim Einmarsch eines Triumphators. Seiner Klage über mickrige Provinzflugplätze folgen Sätze über die eigene Großartigkeit. "Ihr habt es ja sicher mitgekriegt, Putin hat gesagt, Trump sei ein Genie, Trump sei ein Führer. Manche Leute sagen mir, ich solle das Kompliment zurückweisen, weil es von Putin komme. Einen Teufel werde ich tun!"

Aber bei weitem nicht jeder ist so beeindruckt wie die Frau im Trump-T-Shirt, die ihren Sitznachbarn lautstark auffordert, sich ins Getümmel zu stürzen, um ein Trump-Poster zu ergattern: Peggy McClure ist sogar völlig unbeeindruckt. Eine Pensionistin, die ihre staatsbürgerlichen Pflichten gewissenhaft erfüllen will: Die Bürger von Iowa prüfen die Kandidaten auf Herz und Nieren, ehe sie – gleichsam stellvertretend für die Nation – die Spreu vom Weizen trennen. Allein Ted Cruz, den Senator aus Texas, hat McClure binnen fünf Tagen zweimal aus nächster Nähe studiert. Trump, weiß sie nun, kommt für sie nicht infrage: "Wenn er wenigstens erklären würde, wie er schaffen will, was er ständig verspricht, wäre ich schon ein bisschen schlauer." (Frank Herrmann aus Cedar Rapids, Iowa, 1.2.2016)