Josef Pühringer hält Sozialkürzungen für Flüchtlinge für redlich: "Es geht bitte absolut nicht um Unmenschlichkeit, es geht um das Machbare."

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In der Debatte um die Kürzung der Mindestsicherung meldet sich nun Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer zu Wort. Im STANDARD-Interview meint der ÖVP-Politiker: "Wissen Sie, ich bin ein sehr sozialer Mensch und gönne allen alles. Aber man muss gewisse Prinzipien in der Gessellschaft- und Sozialpolitik aufrechterhalten."

Indes kritisiert der Grüne Landesrat Rudi Anschober (Grüne) die Forderung nach einer Kürzung. Der von ÖVP und FPÖ geplante "Kahlschlag" bei der Mindestsicherung gefährde die Integrationsoffensive in Oberösterreich, sagte der für Integration zuständige Landesrat.

STANDARD: Die in Oberösterreich geplante Kürzung der Mindestsicherung für anerkannte Asylwerber von 914 auf 320 Euro und die Forderung an den Bund, einen Deckel für die Leistung in Höhe von 1500 Euro einzuführen, sorgen für gehörig Wirbel. Sozialminister Alois Stöger (SP) "graust vor der Neiddebatte der ÖVP", Oberösterreichs Caritas-Chef Franz Kehrer wird "schlecht" – Ihnen geht's gut?

Pühringer: Es geht bitte absolut nicht um Unmenschlichkeit, sondern es geht um das Machbare. Wir sehen die Entwicklungen bei den Kostenströmen, und wir sehen andererseits natürlich, dass der Standort durch ungleiche Leistungen auch attraktiver wird. Ich spreche mich durchaus dafür aus, dass man gemeinsam in Österreich solche Leistungen auf ein Niveau bringt. Denn was ich nicht will, ist ein Art Dumping, das dann zu einem Standortwettbewerb im Sinn der Attraktivität für Flüchtlinge wird.

STANDARD: Sozialminister Stöger hat vorgeschlagen, die Mindestsicherung zur Bundessache zu machen. Ist das für Sie vorstellbar?

Pühringer: Wenn der Bund auch zahlt, dann sicher. Aber entscheidend ist, dass sich mit der Mindestsicherung nicht Länder wie etwa das Burgenland unattraktiver als andere machen. Und es darf das Ganze nicht aus dem Kostenrahmen fallen. Was aber mit Sicherheit droht, wenn man jetzt einfach so weiterschreitet.

STANDARD: Insbesondere die Kürzung der Mindestsicherung steht völkerrechtlich auf höchst wackeligen Beinen. Verwundert hat daher das schwarz-blaue Tempo – warum hat man nicht vorab eine rechtliche Prüfung durchgeführt?

Pühringer: Es ist ja bitte noch keine Entscheidung getroffen worden, sondern ein Vorschlag zur Beratung in den Sozialausschuss gegangen. Das ist der übliche Weg, und jetzt werden natürlich die Dinge geprüft. Auch hinsichtlich einer Rechts- und Verfassungskonformität.

STANDARD: Sozialexperten warnen eindringlich davor, dass man mit einem so radikalen Einschnitt vor allem die Armutsfalle entsprechend weit öffnet.

Pühringer: Das stimmt doch überhaupt nicht. Es geht darum, dass der Zeitraum der Grundversorgung für Asylwerber verlängert wird. Wir wollen doch bitte, dass einer, der Asyl kriegt, möglichst rasch in den Arbeitsprozess integriert wird. Und sehr attraktive Grundsicherungen sind hinderlich, dass die Leute rasch in den Arbeitsprozess eintreten.

STANDARD: Aber sind 914 Euro Mindestsicherung so attraktiv?

Pühringer: Wissen Sie, ich bin ein sehr sozialer Mensch und gönne allen alles. Aber man muss gewisse Prinzipien in der Gesellschafts- und Sozialpolitik aufrechterhalten. Und es muss ein entsprechender Abstand sein zwischen jenen, die 40 Stunden in der Woche arbeiten, und jenen, die ihre Existenz ausschließlich aus Transferleistungen bestreiten. Und dieser Abstand ist für einige hunderttausend Bürger in diesem Land sehr gering geworden. Das ist eine Schieflage, die man beseitigen muss. Nochmals: Es geht nicht um Unmenschlichkeit, es geht um das Prinzipielle.

STANDARD: Besteht aber nicht genau die Gefahr, dass die Kürzungen Folgeprobleme schaffen? Etwa, dass man Betroffene letztlich nicht mehr aus der Mindestsicherung bekommt, weil sich eben die Jobsuche entsprechend schwierig gestaltet?

Pühringer: Ich glaube das einfach nicht, weil wir ja auch fordern, dass man die Anstrengungen, die man machen muss, damit man diese Leute in den Arbeitsprozess hineinbekommt, verstärken muss. Es kann ja nur so sein, dass das Bemühen des Staates dahin gehen muss, dass jemand, der den Asylstatus bekommt, möglichst rasch arbeiten kann – und für seine Existenz eben auch eine entsprechende Leistung erbringt.

STANDARD: Und ein politisches Kalkül nach dem Motto "Jetzt zeigen wir einmal, dass wir das Zepter in der Flüchtlingsfrage noch in der Hand haben" schließen Sie aus?

Pühringer: Ich lasse mir da von Ihnen sicher nichts unterstellen. Ich habe Ihnen doch ausführlich erklärt, warum wir diese Überlegungen anstellen. Es geht doch nicht ums Flaggezeigen. Wir sind in der gesamten Asylfrage an der Grenze des Machbaren angelangt. Es geht nicht darum, dass wir unsere Mitmenschlichkeit, dass wir unsere Humanität, unsere Hilfsbereitschaft begrenzen wollen. Aber wir sind – in der Zivilgesellschaft und genauso, was die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand betrifft – an den Grenzen angelangt. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck – der nicht verdächtig ist, ein Rechter zu sein – hat das bei seiner Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos ganz ausdrücklich gesagt, dass es manchmal sogar geboten scheint, Grenzen zu ziehen, damit man die Akzeptanz der Bevölkerung, der Gesellschaft nicht gefährdet.

STANDARD: Die Mindestsicherung macht gerade einmal ein Prozent der gesamten Sozialausgaben Österreichs aus. Da darf man sich wohl fragen, ob das tatsächlich unser dringendstes Problem bei den Sozialausgaben ist, oder?

Pühringer: Derzeit sind es ein Prozent. Aber Sie dürfen nicht so naiv sein und die Entwicklungen bei der Mindestsicherung unterschätzen – wir müssen jetzt handeln.

STANDARD: Trotzdem hat man das Gefühl, dass die angespannte Asyllage zu politischen Schnellschüssen führt. Die Kürzung der Mindestsicherung hängt rechtlich völlig in der Luft, die Obergrenze wurde beschlossen, was fehlt, ist der Plan dazu. Sind das nicht alles Zeichen einer politischer Überforderung?

Pühringer: Die Lage fordert uns, sie überfordert uns aber nicht. Nochmal Gauck: "Eine Begrenzungsstrategie kann moralisch und politisch sogar geboten sein, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten. Es kann auch geboten sein, um die Unterstützung der Mehrheitsgesellschaft für eine menschenfreundliche Aufnahme der Flüchtlinge zu sichern. So gesehen ist Begrenzung nicht per se unethisch. Begrenzung hilft, Akzeptanz zu erhalten. Ohne Akzeptanz aber ist eine Gesellschaft nicht offen und aufnahmebereit. Und genau aus diesem Grund suchen jetzt verstärkt die Regierungen in Deutschland und auch Brüssel nach Lösungen, um die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren." Zitat Ende, danke – dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

STANDARD: Ich versuche es trotzdem: Spannend ist, dass es gerade bei dem heiklen Thema in letzter Zeit sehr ruhig um Ihre Person geworden ist. Ist es schwer für Sie, den schwarz-blauen Weg mitzugehen?

Pühringer: Sie hätten mich, obwohl ich derzeit auf Kur bin, jeden Tag anrufen und etwa zur Obergrenze befragen können. Und ich hätte Ihnen jeden Tag dieselbe Antwort gegeben. Aber ich bin eben derzeit auf Kur und gebe keine Pressekonferenzen. Sie werden aber schauen, wie vital ich wieder zurückkomme.

STANDARD: Vielleicht hat es ja auch eine Erholung vom Regierungspartner gebraucht – immerhin waren Sie nie ein Freund von Schwarz-Blau.

Pühringer: Ich bin immer ein Freund einer breiten Zusammenarbeit gewesen. Und die suche ich auch jetzt. Sie können sich darauf verlassen, dass ich meine Weltanschauung nicht beim Landhaus-Portier abgeben werde.

STANDARD: Dennoch ist der Asylkurs in Oberösterreich deutlich schärfer geworden. Ist das der Preis, den man für eine blaue Partnerschaft zahlen muss?

Pühringer: Blödsinn. Die Asylfrage stellt sich doch nicht nur in Oberösterreich, konkrete Maßnahmen werden in ganz Europa angedacht. (Markus Rohrhofer, 31.1.2016)