Blindspot erlaubt anonyme Chats – Trolle und Mobber haben die App für sich entdeckt.

Foto: Bindspot

Mobber und Internet-Trolle lieben die neue israelische App Blindspot. Doch weil sie das anonyme Versenden von Botschaften, anzüglichen Fotos und Videos erlaubt, ist die Handy-Anwendung hoch umstritten. Während die Anwendungssoftware bereits auf Mobiltelefone in der ganzen Welt geladen wird, fordern Politiker und Aktivisten ein Verbot der Applikation, die es inzwischen in elf Sprachen gibt.

Absender nicht sichtbar

Mit der Applikation Blindspot (zu deutsch: blinder Fleck) kann ein Nutzer Nachrichten an jeden seiner Kontakte auf dem Mobiltelefon schicken, ohne dass der Absender sichtbar wird. In Israel, wo das Angebot Ende Dezember zuerst startete, wurde die App schon mehr als eine halbe Million Mal heruntergeladen.

Namhafte Unterstützer

Angeboten wird Blindspot von der israelischen Shellanoo Group. Die Firma stützt sich auf einen Investmentfonds internationaler Promis. Dazu gehören aus den USA der Rapper will.i.am und die Sängerin Nicki Minaj sowie der russische Milliardär Roman Abramovich, Besitzer des Londoner Fußballklubs Chelsea. Einer der Betreiber von Blindspot ist der Bruder des israelischen Top-Models Bar Refaeli.

Große Werbekampagne

Der Markteintritt wurde von der größten Werbekampagne begleitet, die in dem Land jemals für eine App gestartet wurde, sagt Moran Bar, Gründer des Technologieblogs "Geektime". Plakatwände mit dem Emblem der Anwendung, einem gelben Smiley mit Augenklappe, säumen die Autobahnen und im Raum Tel Aviv auch die Straßen.

Schwere Mobbingfälle

Adam Schafir, ein auf Technologiethemen spezialisierter israelischer Fernsehreporter, berichtete bereits über schwere Mobbingfälle. Er verweist darauf, dass ähnliche anonym arbeitende Apps wie Secret nach scharfer Kritik wieder eingestellt wurden. "Da kommt es zu massiver sexueller Belästigung – Typen schicken Mädchen Anmerkungen über ihren Körper oder Dinge, die sie gerne mit ihnen machen würden", umschreibt es der Journalist. Sogar Morddrohungen gebe es.

Schutzmaßnahmen

Die Betreiberfirma macht geltend, es gebe ausreichende Schutzmaßnahmen. Adressaten könnten Nachrichten abblocken und Belästigungen signalisieren. Ernstzunehmende Drohungen würden dann an die Polizei gemeldet.

Suizidgefahr

Doch die Knessetabgeordnete Merav Ben Ari sieht die Gefahr, dass Jugendliche so sehr drangsaliert werden, dass sie in Suizidgefahr geraten. "Wer etwas Nettes sagen will, wird das ja nicht anonym tun", argumentiert die Politikerin von der rechtsliberalen Regierungspartei Kulanu.

Online-Schikanen

Eine international angelegte Meinungsumfrage ergab im vergangenen Jahr, dass jeder fünfte befragte Teenager schon Online-Schikanen erlebt hat. Jeder Fünfte unter ihnen zog daraufhin in Erwägung, sich umzubringen.

Belästigung

TV-Journalist Schafir berichtete über ein israelisches Paar, das während einer Europareise über Blindspot belästigt wurde: "Die Frau erhielt Mitteilungen, ihr Mann gehe fremd." Auch wenn sie in diesem Fall dem Dementi des Gatten glaubte: "so etwas kann Ehen zerstören", sagte Schafir.

300 E-Mails

Shellanoo-Sprecher David Strauss bestätigte, dass besagter Ehemann sich in 300 E-Mails bei dem Unternehmen beschwerte. Er streitet aber jede Verantwortung rundheraus ab: "Wir sind doch nur eine technische Plattform."

Diskussion im Parlament

Mitte Jänner wurde die umstrittene App im israelischen Parlamentsausschuss für Technologie diskutiert. "Während der zweistündigen Anhörung hörten wir nicht ein einziges gutes Wort über diese Anwendung", fasste Ben Ari zusammen.

Anonymität weitere Entwicklung

Doch Firmensprecher Strauss stellte lakonisch fest, Anonymität im Internet sei "einfach eine weitere Entwicklung, ob die Leute das mögen oder nicht". Und über die Kritikerin aus der Knesset mutmaßt er, möglicherweise habe es der Abgeordneten auch nicht gefallen, als die CD aufkam – "weil sie Kassetten so gerne hatte". (APA, 30.01.2016)