Wien – Dass nur ein kleiner Teil des menschlichen Erbinformationen die Bauanleitung für Proteine enthält, ist bereits seit Jahrzehnten bekannt. Lange war unklar, wozu diese nichtkodierende DNA diente, einige Forscher hielten sie anfangs für überflüssig, was ihr in den 1960er Jahren die Bezeichnung "Junk-DNA" eintrug. Mittlerweile weiß man, dass diese Gen-Abschnitte viele Abläufe in den Zellen steuern. Durch die technische Revolution der Sequenziermethoden ist außerdem klar, dass fast alle Teile des Genoms in RNA-Moleküle kopiert werden – auch wenn sie keinerlei Information für die Proteinproduktion enthalten.

Wissenschafter des Forschungszentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Medizinischen Universität Wien haben nun gezeigt, dass sich zwischen zwei gesunden Menschen die Mengen an nicht-kodierender RNA viel stärker unterscheiden als jene ihrer proteinproduzierenden Varianten – sie tragen also auch stärker zu ihrer biologischen Individualität bei.

Bei der im Fachjournal "Genome Biology" präsentierten Untersuchung der kompletten RNA aus weißen Blutkörperchen von gesunden Probanden stellten die CeMM-Forscher Aleksandra Kornienko und Denise Barlow fest, dass bei manchen Menschen einige nichtkodierende RNAs vollständig fehlen oder sie eine zehnfach geringere Menge davon produzieren. Solche Unterschiede könnten sich etwa auf die Veranlagung für bestimmte Krankheiten auswirken.

Angriffspunkte für Medikamente

Die nichtkodierenden RNAs werden zudem in der personalisierten Medizin häufig als Angriffspunkte für Medikamente oder als Biomarker verwendet. Auch hier könnten sich die gemessenen Unterschiede auf eine solche Behandlung auswirken.

Zudem lieferte die Studie einen Beitrag für die Grundlagenforschung: Noch sind längst nicht alle Genorte der nichtkodierenden RNAs bekannt, Barlow und Kornienko konnten allein in ihrer Untersuchung 736 neue beschreiben. (APA, red, 29.1.2016)