Der französische Regisseur Claude Lanzmann arbeitete zwölf Jahre an seinem zehnstündigen filmischen Meisterwerk "Shoah".

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Adam Benzine, Regisseur der Dokumentation "Claude Lanzmann – Stimme der Shoah".

Foto: David Spowart

Das Drehen war eine Sache, das Schneiden eine andere. Als Claude Lanzmann realisierte, dass er Shoah, seinen maßgebenden Film über den Massenmord an den Juden, nicht rechtzeitig fertigstellen würde – und auch niemals die Zwei-Stunden-Länge würde einhalten können –, schwamm er hinaus aufs Meer. So weit, dass er nicht mehr zurückkam. Als ihn ein Mann im letzten Augenblick rettete, war er nicht besonders glücklich darüber – "ich wollte wohl sterben", so Lanzmann.

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Diese Anekdote aus Adam Benzines Dokumentation Claude Lanzmann – Stimme der Shoah, die Arte am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ausgestrahlt hat, zeigt noch einmal auf, welch beispielloses Projekt sich der Franzose mit diesem Erinnrungs- und Aufarbeitungsfilm aufgebürdet hat. Wie viele Arbeiten, denkt man, entstehen überhaupt aus einer solchen Notwendigkeit heraus?

Lanzmanns rastloses, hartnäckiges, auch erfinderisches Aufklärertum demonstriert Benzine in seinem Oscar-nominierten Porträt an treffenden Beispielen. Abraham Bomba, den Friseur, der in Treblinka Frauen vor der Gaskammer die Haare abschneiden musste, fand Lanzmann in der Bronx. Er entscheidet sich für ein Setting, filmt beim Schneiden, denn Gesten führen zu Gefühlen. Immer wieder muss er ihn anstoßen: "Bombas Tränen waren für mich so kostbar wie Blut."

Benzine zeigt auch den Abenteurer in Lanzmann, seinen Mut, seine Portion Dreistigkeit. Wie er den SS-Mann Heinz Schubert mit versteckter Kamera besuchte und enttarnt wurde, darüber will er zuerst gar nicht sprechen. Benzine drängt ihn sanft. Der 90-jährige Lanzmann sitzt da, kneift die Augen zu. Dann erinnert er sich. (Dominik Kamalzadeh, 28.1.2016)