Etwas öffentlichkeitsscheu, aber zufrieden: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) beim Verlassen des Ministerrats am Dienstag. Das neue Asylgesetz werde eines der härtesten seiner Art in Europa sein, lobte sie.

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"Es gibt dazu keine Meinungsverschiedenheiten", sagte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (rechts) zum vermuteten Asylstreit in der Wiener SPÖ. Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler pflichtete ihm bei.

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Wien – An der koalitionären Rollenverteilung und der damit verbundenen Wortwahl in Sachen Asyl hatte sich auch nach dem Ministerrat am Dienstag nichts geändert. Dabei übten sich Kanzler und Vizekanzler bemerkbar in öffentlicher Annäherung.

"Die Höchstgrenze von 37.500 Flüchtlingen für 2016 ist ein Richtwert. Den gilt es einzuhalten", erläuterte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) vor der Presse. "Dieser Richtwert ist aus unserer Sicht eine Obergrenze. Das ermöglicht konkrete Handlungen", erweiterte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP).

Dabei, so Mitterlehner, gehe es um Maßnahmen gegen die "Überforderung" des auf der Balkanroute liegenden Österreich – weil Österreich nur zusammen mit Deutschland und Schweden die massive Flüchtlingswelle nicht im Alleingang bewältigen könne. "Zehn bis zwölf Millionen Menschen", so Mitterlehner, seien derzeit in Richtung Europa fluchtbereit. Die Begrenzung auf eine Höchstzahl auf 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung sei da ein klares Gebot.

"Signal" und "Botschaft"

Unterstützend dabei werde die "Asyl auf Zeit"-Novelle sein, betonten der Kanzler und sein Vize. Die geplante Gesetzänderung, zu der der Ministerrat am Dienstag sein Okay gab, sei – so Faymann – ein "Signal" und – so Mitterlehner – "eine Botschaft nach innen und außen". Noch klarer drückte es Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) aus: Mit dem Beschluss im Ministerrat sei sie zufrieden, sagte sie. Denn das österreichische Asylgesetz sei eines der schärfsten Europas.

Für die Ministerratsvorlage wurde besagte Schärfe im Vergleich zum Begutachtungsentwurf jedoch ein wenig abgemildert: Nicht im Gesetzestext, aber immerhin in den dem Standard vorliegenden Erläuterungen zu diesem wurden auf Betreiben der SPÖ Ergänzungen beigefügt.

Automatische Schutzverlängerung

Die erste betrifft "Asyl auf Zeit" als solches: Der Gesetzestext normiert, dass die Asylbehörde jedem anerkannten Flüchtling, dessen Schutz nach den ersten drei Jahren unbefristet verlängert wird, dies "von Amts wegen" mitzuteilen hat: eine Bestimmung, die von individueller Verständigung ausgeht. In den Erläuterungen nun ist in derlei Fällen von einer automatischen Verlängerung "ex lege" die Rede. Darüber hinaus soll jeder anerkannte Flüchtling sofort einen Ausweis bekommen.

Auch in Fällen, in denen eine Asylaberkennung droht, soll außerdem die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen als Argument gegen eine Rückführung gelten können.

Zentrale Verschärfung

Keine Abmilderung gab es bei den neuen Härten für die Familienzusammenführung anerkannter Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigter: laut dem Anwalt und Asylrechtsexperten Georg Bürstmayr der zentrale Verschärfungsplan.

Dieser Ansicht ist auch Werner Kerschbaum, der Generalsekretär des Roten Kreuzes, das den überwiegenden Teil von Familienzusammenführungen abwickelt: 2015 waren es 1200 Anträge für die Einreise von rund 5000 Menschen. Unter den Angehörigen von Asylberechtigten etwa werde seinen Erfahrungen nach ein Drittel die knappe Frist von drei Monaten nicht schaffen, binnen derer Familiennachzug ohne besondere Auflagen künftig möglich sein soll, sagte er dem Standard.

Häupl für die Novelle

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) kann mit der Regierungseinigung auf ein verschärftes Asylrecht leben. "So wie es jetzt gestaltet ist, ist es kein Verwaltungsmonster mehr. Das ist ein Punkt, mit dem man leben kann", sagte Häupl am Dienstag. Er meinte damit auch die bürokratische Erleichterung für Asylberechtigte, dass die Behörde von sich aus tätig und sich an die betroffene Person wenden muss, wenn der Asylstatus nicht verlängert wird.

Noch im November des Vorjahres stand Häupl Asyl auf Zeit "skeptisch" gegenüber. "Ich halte das für keine gute Idee", sagte er damals. Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) hatte im November die geplante Asylverschärfung gar als "Alibiaktion" bezeichnet. Die Bundesregierung würde eine "Scheinaktivität" setzen, weil der Asylgrund schon jetzt nach drei Jahren überprüft werden könne. Asyl auf Zeit würde einen bürokratischen Mehraufwand für die Behörden bedeuten.

"Keine Meinungsberschiedenheiten"

Dass es bei der SPÖ einen internen Streit um eine Obergrenze bei Flüchtlingen gibt, verwies Häupl ins Reich der Fabeln. "Es gibt in der Wiener SPÖ dazu keine Meinungsverschiedenheiten." Zur vergangene Woche von seinen Stadträtinnen Wehsely, Sandra Frauenberger und Renate Brauner geäußerten Kritik am Asylgipfelbeschluss sagte Häupl: "Es passt zwischen uns kein Blatt Papier." Das sage auch Renate Brauner.

Häupl verteidigte den Gipfelbeschluss und führte aus, dass im Text kein einziges Mal der Begriff Obergrenze stehen würde. Die noch fertig zu stellenden Hotspots sollen aber künftig als Verteilerzentren dienen und sicherstellen, dass 2016 nicht mehr als 37.500 Asylwerber in Österreich einen Antrag stellen können. Auf die Frage, was passiere, wenn die Hotspots nicht rechtzeitig in Betrieb gehen, sagte Häupl: "Deswegen heißt es Richtwert." Das Limit von 37.500 Asylwerbern könnte dann also überschritten werden.

Zurück in die Hotspots

Sofern die Hotspots funktionieren, sollen Asylwerber bei Erreichen des Richtwerts aber an den Grenzen Österreichs in die Hotspots zurückgeschickt werden. Von Maßnahmen wie in Schweden, wo Asylanträge nach Erreichen des Limits liegen gelassen würden, hält Häupl nichts: "Das wäre in Österreich Amtsmissbrauch."

Auf die Frage, ob er zuversichtlich sei, dass die EU in diesem Jahr die Flüchtlingskrise in den Griff bekomme, sagte Häupl: "Zum Teil ja, komplett nicht."

Gratis Öffi-Karten

Geht es nach Wiens Bürgermeister, sollen Asylwerber Anspruch auf kostenlose Monatskarten für die Öffis bekommen. "Das Problem müssen und werden wir lösen." Asylwerber hätten kein Geld für Fahrscheine zur Verfügung, ohne Lösung sei es eine "Anleitung zum Schwarzfahren". Für "originär Wiener Arme", so Häupl, gebe es ähnliche Regelungen wie den Mobilpass. (Irene Brickner, David Krutzler, 27.1.2016)