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Moedas: Sechs Millionen Euro gibt die EU für Beratung aus.

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Wissenschaftliche Themen nahmen auch heuer beim Weltwirtschaftsforum in Davos breiten Raum ein. Zum Abschluss der Veranstaltung mit rund 2500 Teilnehmern gab es den traditionellen Ausblick, was heuer auf dem Gebiet der Forschung zu erwarten ist. Mit einem konkreten Projekt, das diesen Freitag in Brüssel startet, wartete EU-Forschungskommissar Carlos Moedas auf. Im Rahmen des sogenannten Mechanismus für wissenschaftliche Politikberatung nehmen sieben Wissenschafter, darunter der ehemalige Cern-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer, ihre Arbeit auf.

Wann immer die EU-Kommission einen Vorschlag habe, bei dem wissenschaftlicher Rat gefragt sei, werde das Gremium konsultiert. Die Mitglieder suchen dann weltweit nach der bestmöglichen Expertise, erläuterte Moedas. Die Teammitglieder können aber auch selbst Vorschläge an die Kommission richten, womit sich diese befassen solle. Alle Akademien in Europa seien eingebunden. "Natürlich ist auch die österreichische Akademie der Wissenschaft voll involviert", sagte Moedas zum STANDARD. Für wissenschaftliche Expertise sind insgesamt sechs Millionen Euro vorgesehen.

Europa sei noch lange nicht da, wo es im Bereich Wissenschaft und Forschung sein solle, erklärte der Kommissar in Davos. Die größte Herausforderung sei die digitale Transformation, es werde in vielen Bereichen der Wissenschaft "in sehr konservativer Weise gedacht".

Pensionsfonds für Wissenschafter

Ein praktisches Problem: Wissenschaftliches Arbeiten in verschiedenen europäischen Ländern sei oft sehr schwierig. "Viele haben Angst zu scheitern", sagte Moedas. Für heuer habe sich die Kommission deshalb vorgenommen, "dass wir es Wissenschaftern leichtermachen, sich von einem Land ins andere zu bewegen". Geplant sei ein Pensionsfonds, in den Wissenschafter, die in verschiedenen Ländern arbeiteten, einzahlen können. Damit solle Mobilität und Interdisziplinarität innerhalb der EU gefördert werden.

"Politiker verstehen nicht, dass es ohne Forschung auch kein Wachstum gibt", klagte der Portugiese. Elizabeth Blackburn, die 2009 für ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Telomer- und Telomerase-Forschung den Medizinnobelpreis erhielt, sieht noch ein weiteres Defizit der Politik: Regierungen sollten verstehen, dass es in manchen Bereichen notwendig sei, in Fünfjahresperioden zu denken und Projekte häufig längerfristige Unterstützung brauchen. "Die Versuchung ist aber, alles kürzer und kürzer zu halten. Gebt den Wissenschaftern eine lange Leine", so der Appell der Molekularbiologin.

Einig war man sich auf dem Podium darüber, dass es auch Defizite in der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gibt. EU-Kommissar Moedas bezeichnete es als Problem, dass ein größerer Teil der Unternehmen nicht in Forschung und Entwicklung investiere. Es müsse mehr Anreize für die Wirtschaft geben, in die Grundlagenforschung zu investieren. "Die Wirtschaft und die Wissenschaft müssen lernen, zusammenzutanzen, um ihre Zusammenarbeit zu befördern", lautete das Plädoyer von Suzanne Fortier von der kanadischen McGill-Universität.

Einigkeit herrschte auch darin, dass im Wissenschaftsbereich selbst Defizite vorhanden sind: 40 Prozent der Absolventen in den USA seien weiblich, aber nur wenige könnten an die Spitze der Forschung vorrücken, sagte Subra Suresh, Präsident der Carnegie-Mellon-Universität in den USA. Das sei eine "Vergeudung von Talent".

Suresh, der viele Jahre am Massachusetts Institute of Technology (MIT) geforscht hatte, sieht aber auch eine Vergeudung von finanziellen Ressourcen: "Wir bringen eher Menschen auf den Mond, bevor wir daran denken, Räder für Koffer zu erfinden", sagte Suresh, der selbst 21 Patente hält.

Praxisbezug gefordert

Er mahnte ein, dass sich Forschung auch auf lebensnahe Bereiche beziehen müsse. Auch dafür müsse es Mittel geben. In manchen Bereichen sei die Wissenschaft weit weg von praktischer Anwendung. Für einen breiteren Ansatz trat Blackburn ein, die das Salk-Institut für biologische Studien in Kalifornien leitet: "Die Wunder, die wir durch die Wissenschaft entdeckten, bereichern unseren Blick auf die Welt." (Alexandra Föderl-Schmid aus Davos, 27.1.2016)