Das Magazin "Forbes" wählte Nadine Dörre unter die interessantesten 30 unter 30 in Europa.

Foto: Franz Pfluegl

Nadine Dörre zeigt auf eine kleine, lila, gefurcht beschichtete Platte. Sie ist zentrales Element des Experiments, an dem die experimentelle Quantenphysikerin arbeitet. Auf ihr befinden sich Moleküle, die mittels eines Lasers erhitzt und so zum Fliegen gebracht werden können.

Die 29-Jährige arbeitet am Physik-Institut der Uni Wien in der Gruppe von Markus Arndt, dessen Ziel es ist, den Grenzbereich zwischen Quantenphysik und klassischer Physik zu erforschen. Sehr kleine Teilchen zeigen quantenphysikalisches Verhalten, das bei makroskopischen Objekten aber nicht mehr beobachtet werden kann. "Es ist eine offene Frage, wie man diesen Übergang erklären kann", sagt Dörre, die schon für ihre Diplomarbeit an diesem Experimentaufbau arbeitete und nun seit 2010 damit auch an ihrer Dissertation arbeitet, die durch das Unesco-L'Oréal-Stipendium vom Wissenschaftsministerium unterstützt wird.

"Es geht in unseren Experimenten darum, die Gültigkeit der Quantenphysik für immer größere Objekte nachzuweisen", sagt Dörre. Dazu werden immer größere Moleküle durch das Experiment geschickt, das ähnlich funktioniert wie das berühmte Doppelspaltexperiment.

Bei diesem Experiment werden Teilchen durch zwei Spalte geschickt – wenn man sie dahinter auf einem Schirm auffängt, zeigt sich eine charakteristische Struktur namens Interferenzmuster, die durch Überlagerung entsteht – ein Hinweis auf das Quantenverhalten der Teilchen.

In dem Experiment, an dem Dörre und ihre Kollegen arbeiten, werden aber statt zwei Spalten drei Gitter aus Licht eingesetzt. Eine der Besonderheiten an dem Experimentaufbau ist, dass die Gitter nicht ständig da sind, sondern nur pulsartig eingeschaltet werden. So hätten alle Teilchen die gleiche Zeit, um das Interferenzmuster zu erzeugen.

So wollen die Physiker einen Rekord brechen und bald Moleküle testen, die eine Massenzahl von bis zu einer Million haben.

Die Moleküle auf der lila Platte sind in einer Kollaboration mit Chemikern extra für das Experiment hergestellt worden. Das hat den Vorteil, dass sie gegenüber ihren natürlich vorkommenden Pendants stabiler sind. "Sie zerbrechen nicht gleich, bevor sie losfliegen", sagt Dörre. Das Ziel sei aber letztendlich auch, mit Bioteilchen zu arbeiten. Eine Möglichkeit, die aber vorerst physikalisches Wunschdenken sei, wäre etwa Hämoglobin, also rote Blutkörperchen, durch das Experiment zu schicken.

Nun will Dörre ihre Dissertation zügig zu Ende bringen, denn die eigentliche Arbeit stecke ohnehin bereits im Experiment selbst. In ihrer Doktorarbeit fasst sie dessen theoretischen Hintergrund und den genauen Aufbau zusammen und führt gewonnen Daten an. "Es ist ein sehr spezielles Experiment, das es in dieser Form sonst nirgends so fortgeschritten gibt", sagt Dörre. Wohl auch mit ein Grund dafür, dass sie vergangene Woche vom Magazin Forbes unter die 30 interessantesten Persönlichkeiten unter 30 Jahren in Europa aufgenommen hat.

Nach der Dissertation will Dörre sich für einen Job an Unis oder in der außerakademischen Forschung umschauen. "Ich bin schon so lange in Wien", sagt die Waldviertlerin, "es würde mich reizen, ins Ausland zu gehen." (Julia Grillmayr, 31.1.2016)