Port-au-Prince – In Haiti ist aus Sorge vor Gewalt die zweite Runde der Präsidentschaftswahl verschoben worden. Die eigentlich für Sonntag geplante Stichwahl finde aufgrund von "Sicherheitsbedenken" nicht statt, sagte der Vorsitzende der Wahlkommission, Pierre-Louis Opont, am Freitag.

Die Opposition wirft der Regierung des scheidenden Präsidenten Michel Martelly vor, die Wahl zugunsten seines Wunschkandidaten Jovenel Moise zu manipulieren. Opont begründete die kurzfristige Absage des Wahlgangs mit der Vielzahl an Gewalttaten gegen Einrichtungen der Wahlkommission. In der Nacht auf Freitag waren mehrere Wahllokale angezündet worden.

Schüsse in der Innenstadt

Nach der Bekanntgabe der Verschiebung der Wahl ging die Polizei vor dem Sitz der Wahlkommission gewaltsam gegen eine Menschenmenge vor. Es brach Panik aus. In der Innenstadt von Port-au-Prince waren Schüsse zu hören.

Der Oppositionskandidat Jude Celestin, der sich zuletzt aus Protest gegen die Manipulationen aus der Stichwahl zurückgezogen hatte, sprach von einem "Sieg für die Demokratie". Er sei längst nicht der einzige Kandidat gewesen, der gegen "diese Auswahl" gewesen sei, sagte Celestin. Er hatte in der ersten Wahlrunde am 25. Oktober 25,3 Prozent der Stimmen erhalten, während Moise auf 32,8 Prozent gekommen war.

Gewaltsame Proteste

Allerdings war der Urnengang von massiven Fälschungen geprägt, wie eine unabhängige Prüfkommission Anfang Jänner feststellte. Wegen der Manipulationen gibt es seit Wochen teils gewaltsame Proteste. Anhänger Celestins drohten, die Abstimmung am Sonntag notfalls mit Gewalt zu verhindern. Martelly wollte sich am Freitagabend in einer Ansprache eigentlich zu der Krise äußern, verschob die Rede dann aber.

Der verarmte Karibikstaat ringt 30 Jahre nach dem Ende der Diktatur noch immer um Stabilität. Immer wieder wurde das Land durch politische Krisen und Putsche zurückgeworfen, auch die Wahl Martellys war von heftigen Unruhen begleitet. Haiti leidet zudem noch immer unter den Folgen des verheerenden Erdbebens im Jahr 2010, bei dem mehr als 250.000 Menschen ums Leben kamen. (APA, 23.1.2016)