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Es geht nicht ums Geld, sagte der türkische Premier, als er nun nach Berlin kam. Aber natürlich geht es auch darum. Wie viel sind Europas Regierungschefs bereit zu zahlen, damit sie wegen des Flüchtlingszustroms bei den nächsten Wahlen nicht gestürzt werden? Die drei Milliarden Euro, die ein Teil von ihnen bisher der Türkei versprochen hat oder 13 Milliarden, vielleicht auch 30? Politisches Überleben wie im Fall der deutschen Kanzlerin Angela Merkel hat keinen festen Preis.

Es geht um "konkrete Ergebnisse", sagte Ahmet Davutoğlu, als er nun nach Berlin zu Konsultationen über die Flüchtlingskrise kam. So, als ob der EU-Türkei-Gipfel in Brüssel vor zwei Monaten nicht schon mit konkreten Ergebnissen geendet hätte: Visapflicht weg für die Türken bis Ende dieses Jahres, neues Kapitel geöffnet bei den Beitrittsverhandlungen, und die bisher angekündigten drei Milliarden Euro als Hilfe zum Unterhalt und zur Integration der syrischen Flüchtlinge in der Türkei.

Doch Davutoğlu sind die Hände gebunden. Erstens entscheidet in der Türkei nicht mehr der Regierungschef, sondern Staatspräsident Tayyip Erdoğan. Zweitens kann niemand ernsthaft erwarten, dass die Türkei das macht, was 28 EU-Staaten nicht tun wollen: zum Auffangbecken für täglich 1.000 bis 2.000 neue Flüchtlinge werden.

Krisen sind da, um gelöst zu werden. Es wird zwar nie perfekt sein, aber wenn es gut läuft, können Berlin und die EU mit Ankara in den nächsten Wochen und Monaten eine gemeinsame Linie finden, um den Zustrom von Flüchtlingen einzudämmen. Aufklärungskampagnen, wie sie die türkische Küstenwache nun im Ansatz versucht, indem sie Flüchtlingen Videos ihrer dramatischen Rettungsaktionen in der Ägäis zeigt, gehören dazu. Ebenso neue Verhandlungen mit Ländern wie Pakistan oder Bangladesch, die ihre flüchtenden Staatsbürger tatsächlich zurücknehmen sollen, wenn diese keine Aussicht auf Asyl in der EU haben.

Wahrscheinlicher ist leider, dass die Bemühungen mit der Türkei um eine Lösung des Flüchtlingsproblems nicht gut laufen werden. Staatschef Erdoğan und ein Teil der politischen Führung in Ankara haben nicht unbedingt ein Interesse daran, den EU-Staaten die Flüchtlingskrise abzunehmen. Innenpolitisch zahlt es sich aus, Europa als das heuchlerische, unmoralische Abendland hinzustellen, das es nicht groß kümmert, wenn Flüchtlingskinder in der Ägäis ertrinken.

Politisch ist es für Ankara auch einfacher, weiter Flüchtlinge nach Europa ziehen zu lassen, als die Rücknahmeabkommen genau einzuhalten: das eine, das es ohnehin schon mit dem Nachbarn Griechenland gibt, und das andere mit Brüssel, das ab 2017 gilt und die Türkei faktisch zu einem sicheren Drittstaat erklärt.

Jede Abmachung mit Europa über die Flüchtlinge bedeutet auch mehr Pflicht zur Transparenz für den türkischen Sicherheitsapparat. Das lässt Ankara ungern zu. 15 Millionen Euro hat die EU schon vor Jahren für den Bau von Abschiebezentren in der Türkei budgetiert. Was aber etwa in Erzurum tatsächlich vor sich geht, wo eines dieser Zentren steht, ist nicht klar.

Laut Amnesty International schob die Türkei im November 2015 von dort mindestens 50 Syrer in ihr Land ab. Das wäre wohl ein Verstoß gegen internationales Recht. Weitere Lager in der Türkei zu finanzieren und dann die Augen zu verschließen – das kann sich Europa nicht erlauben. (Markus Bernath, 22.1.2016)