Harald Gründl, Lilli Hollein, Anna Popelka und Elke Delugan-Meissl (v.l.) diskutierten übers Wohnen, Wolfgang Pauser moderierte.

Foto: Pia Teufl

Schon einmal nahm Daniel Jelitzka, Geschäftsführer von JP Immobilien, 30.000 Euro Preisgeld in die Hand, um die österreichische Architektur- und Baubranche nach Visionen und Perspektiven zu durchforsten. Nach 2014 findet der biennal ausgelobte Wettbewerb "Superscape" heuer bereits zum zweiten Mal statt. Gesucht werden innovative, unkonventionelle Ideen für das Wohnen von morgen. Um dem Denken über den Tellerrand hinaus einen Stoß zu geben, lud das Architekturzentrum Wien kürzlich zu einer Podiumsdiskussion.

So viel vorweg: Die Titel gebende Fragestellung "Was muss der Wohnraum in der Stadt von morgen leisten?" musste unbeantwortet bleiben. Zu komplex sei die Materie, so das Gros des Podiums, das mit Architektin Elke Delugan-Meissl (DMAA, Kommissärin des Österreich-Pavillons auf der Architektur-Biennale 2016 in Venedig), Anna Popelka (PPAG Architects), Lilli Hollein (Vienna Design Week) und Designer Harald Gründl (EOOS) höchst prominent besetzt war.

Best-Practice-Beispiele nötig

"Derzeit bauen wir die Wände um die Möbel und Barrierefreiheit-Vorschriften herum, das kann es doch nicht sein", so Delugan-Meissl. "Tatsache ist, dass der Handlungsspielraum von uns Architekten so beschnitten ist, dass wir mit unseren innovativen Ideen nur noch spärlich über die Konzeptionsphase hinauskommen." Testobjekte und Best-Practice-Beispiele müssten her, um die veralteten, tradierten Bilder von Wohnen aufzubrechen.

Die Stadt wächst, Wohnungen werden immer kleiner. "Damit sind wir an einem Punkt angekommen, wo Raumgrenzen aufgelöst und Räume mit Mehrdeutigkeit geschaffen werden müssen", so Popelka. "Für die neuen Wohn- und Lebensstile sind neue Typologien gefragt." Diversifizierung laute das Schlagwort der Stunde. So wie auch die seit Jahren geforderte Auslagerung gewisser Wohnfunktionen in den kollektiven und öffentlichen Raum.

An genau diesem Punkt, scheint es, ist die Wohnbaupolitik stecken geblieben. Sie hat alles unternommen, um die Wohnungen zu schrumpfen und zur euphemistischen Smartness zu erklären, aber das zugleich erweiterte Angebot an Funktionen im öffentlichen Wohnzimmer namens Stadt lässt auf sich warten. Der Superscape-Wettbewerb dient dem Auslober JP Immobilien somit nicht nur als Trendbarometer für die eigene Arbeit, sondern auch als Katalysator für die Wohnbauforschung.

Ideen von übermorgen

"Es gibt nicht die eine Wohnung, die für alle Menschen gleichermaßen zugeschnitten ist", sagt Jelitzka. "Für mich ergibt sich die Qualität einer Stadt aus der Vielfalt der Wohnungstypen. Jeder noch so ungewöhnliche Grundriss hat Berechtigung. Je größer der Mix, desto besser." In diese Richtung müsse man in Zukunft denken.

Der erste Preis beim Superscape 2014 ging übrigens an den Tiroler Architekten Florian Niedworok. Mit seiner Forschungsarbeit Pocket Mannerhatten regte er damals die Nachrüstung und Nachverdichtung von kollektiven Infrastrukturen in einem gründerzeitlichen Gebäuderaster an. Früher oder später, so Jelitzka, fließen solche Ideen von übermorgen in die Stadt von morgen ein. (Wojciech Czaja, 22.1.2016)