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Ungarns nationalkonservativem Ministerpräsidenten Viktor Orbán und seiner Partei Fidesz wird vorgeworfen, die Menschenrechte in Ungarn Schritt für Schritt einzuschränken.

Foto: EPA/STEPHANIE LECOCQ

Die Grenzen schließen – für alle, nicht nur für Flüchtlinge. Menschen umsiedeln. Ausgangsverbote verhängen. Demonstrationen verbieten. Internet- und Mobiltelefondienste abschalten. Den Bürgern jeden Kontakt mit Ausländern untersagen. All das könnte die Regierung des rechtsnationalen ungarischen Premiers Viktor Orbán im Falle einer Terror-Notlage tun, wenn ihr Entwurf für eine diesbezügliche Verfassungsänderung mit dazugehörigem Gesetz im Parlament durchgeht. Dessen nächste Sitzungsperiode beginnt im Februar.

Der "Terror-Notstand" ist in dem bis vor kurzem geheimen Entwurf denkbar vage definiert. Er kann von der Regierung "im Falle einer bedeutenden Terrorgefährdung oder eines Terroranschlags" verhängt werden. Dafür braucht es keiner Zustimmung des Parlaments. Erst die Verlängerung, die nach 60 Tagen fällig wird, ist an eine Zweidrittelmehrheit im Parlament gebunden.

Regieren per Erlass

Das Gesetz würde die Regierung zu unumschränktem Regieren auf dem Verordnungswege ermächtigen. Mit ihren Erlässen könnte die Führung des Landes "die Anwendung einzelner Gesetze aussetzen, von gesetzlichen Bestimmungen abweichen sowie sonstige besondere Maßnahmen treffen", heißt es in dem Entwurf der Verfassungsänderung. Der dazugehörige Gesetzesentwurf zählt einen Teil der "besonderen Maßnahmen" auf, zu denen der Terror-Notstand die Regierung bevollmächtigen würde.

Orbáns Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) fehlt die für die Verabschiedung dieses Gesetzesvorhabens nötige Zweidrittelmehrheit im ungarischen Parlament nur um Haaresbreite. Einige Inhalte daraus drangen bereits in der vergangenen Woche ans Tageslicht, als die Fidesz-Fraktion darüber in Verhandlungen mit den anderen Parlamentariergruppen trat. Doch den gesamten Entwurf stellte erst am Dienstag der Abgeordnete Elöd Novák von der rechtsextremen Jobbik (Die Besseren) ins Internet.

Große Skepsis

Das veröffentlichte Faksimile trägt am Kopf den Vermerk "aufgrund von § 38 (7) des Gesetzes CXIII/2011 ab dem 12. 1. 2016 für 30 Jahre nicht öffentlich". Die Geheimhaltungsklausel löste unter Experten große Skepsis aus, denn der angeführte Gesetzesartikel bezieht sich auf eine Passage des Landesverteidigungsgesetzes, die von militärischen Geheimnissen handelt. Ihre Anwendung auf einen Gesetzesentwurf, der später ohnehin in der parlamentarischen Öffentlichkeit erörtert wird, erscheint absurd. Novák brüstete sich nichtsdestotrotz damit, dass er seiner parlamentarischen Immunität entsagen wolle und das "Risiko" der mit der Veröffentlichung angeblich einhergehenden juristischen Konsequenzen auf sich nehmen werde.

Auch Politiker der demokratischen Opposition, die den Entwurf bei den Fraktionsgesprächen ebenso zu Gesicht bekommen haben, hätten das Papier veröffentlichen können. Aber das haben sie, wie so vieles andere, verschlafen.

Vorstoß ohne Folgen

Der Vorstoß des Jobbik-Mannes Novák könnte wiederum eine Nebelgranate gewesen sein. Denn am Ende könnte es gut sein, dass der Entwurf in leicht modifizierter, im Kern aber unveränderter Fassung mit Hilfe der Jobbik das Parlament passieren wird. (Gregor Mayer aus Budapest, 22.1.2016)