Wien – Die Zeitung der Zukunft stand Mittwochabend im Mittelpunkt einer Diskussion anlässlich der "Woche des Zeitungslesens" im Wiener Café Prückel. Fazit: Die "Zeitung von Morgen" wird magaziniger, hintergründiger und mit noch mehr Analysen und Meinungselementen angereichert sein.

"Wir Journalisten sollten uns dabei auf unsere Urtugenden besinnen, und den Leuten etwas erzählen, was die noch nicht wissen", meinte Andreas Koller, Innenpolitik-Ressortleiter der "Salzburger Nachrichten" und Präsident des Presseclubs Concordia. Die Zeitung der Zukunft müsse "Exklusivität" liefern, ergänzte "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak. Zu viele "Ich-AG-Kolumnen" sind für Nowak indes "nicht der Weisheit letzter Schluss".

Lange Lesestrecken und "Constructive Journalism"

Antonia Gössinger, Chefredakteurin der "Kleinen Zeitung" Kärnten, erzählte, dass auch lange Lesestrecken bei den Lesern gut ankämen. Julia Ortner, Politik-Chefin des Wochenmagazins "News", wies auf den Trend des "Constructive Journalism" hin. Dabei gehe es nicht darum, Leuten nach dem Mund zu reden, sondern um einen "lösungsorientierten Journalismus", sagte Ortner. "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter plädierte dafür, dass der Leser von seiner Zeitung überrascht und mit spannenden Geschichten aus dem Alltag gerissen werde.

Zu denken gibt den Journalisten unterdessen der aktuelle Vertrauensverlust in die Medien – Stichwort Lügenpresse. "Auch wir als etablierte Medien erleiden einen Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust", meinte Gössinger. Sie sei in den vergangenen Wochen rund um die Flüchtlingsberichterstattung immer wieder damit beschäftigt gewesen, Lesern zu erklären, dass die "Kleine" nichts verschweige und dass es kein Verschwiegenheitsabkommen zwischen Medien und Bundesregierung gebe. Die einzige Antwort auf solch absurde Vorwürfe sei "seriöser und recherchierter Journalismus. Wir müssen hier einen geraden Weg gehen."

Leser hätten "Anspruch auf die Wahrheit"

Die Vorfälle während der Kölner Silvesternacht hätten viel ausgelöst, betonte Koller. Journalisten müssten Lügen, die in Sozialen Netzwerken kursieren, aufdecken, sie dürften aber auch nichts beschönigen, sonst leide die Glaubwürdigkeit. "Wir müssen berichten, was Sache ist. Dazu gehört auch die Nationalität der mutmaßlichen Missetäter. Die Leser haben einen Anspruch auf die Wahrheit."

Der Vertrauensverlust nach Köln sei auf Versäumnisse der Medien zurückzuführen, erklärte "Presse"-Chef Nowak. Natürlich könne man sich darauf ausreden, dass kein österreichisches Medium Korrespondenten in Köln hat und dass die Kölner Polizei schlechte Kommunikationsarbeit geleistet habe, aber "Journalisten müssen sich die Mühe machen, selbst Gerüchte zu recherchieren", so Nowak. Für viele Gerüchte in sozialen Netzwerken gebe es freilich keine Beweise gab "Kurier"-Herausgeber Brandstätter zu bedenken. Auch das müsse gesagt werden.

Schieflage am Markt

Brandstätter wies einmal mehr auch auf die Schieflage am österreichischen Medienmarkt hin: "Es gibt kaum einen unfreieren und bösartigeren Markt als den Markt der Medien." Zum einen bekomme der ORF jährlich 600 Millionen Euro an Gebührengeldern und verlange dann auch noch von Gemeinden für Ortsporträts in seinem Frühstücksfernsehen 3.000 Euro – "das gehört verboten." Zum anderen würden die Gemeinde Wien und der Bund Hunderte Millionen an Inseratengeldern ausgeben, "um Gratisblätter zu bestechen", so Brandstätter. Rund um die Inseratenaufträge an Gratiszeitungen gebe es "Vorgänge, die in Süditalien von bestimmten Organisationen gemacht werden", meinte der "Kurier"-Chefredakteur. "Das ist ein schiefer Markt. Wenn wir das nicht beenden, gibt es in ein paar Jahren nur noch ORF, 'Krone', 'Heute' und 'Österreich'."

Die Diskussionsveranstaltung war Teil der vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und der Fachgruppe der Wiener Kaffeehäuser initiierten "Woche des Zeitungslesens in Wiener Kaffeehäusern". Mit der Initiative wollen VÖZ und Kaffeeinnung auf Gemeinsamkeiten des Mediums und der Wiener Kaffeehauskultur hinweisen. (APA, 21.1.2016)