Mit einer neu entwickelten Methode können Forscher nachvollziehen, was bei Infektionen in Krankheitserregern und den von ihnen befallenen Zellen vor sich geht.

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Gerade in den Wintermonaten grassieren Infekte. Wenn die Luft trocken ist, können sich zahlreiche Keime in den Körper einschleichen und ihn lahmlegen. Doch wie Infektionen sich auf molekularer Ebene genau abspielen, war bislang wenig erforscht.

Forscher der Universität Würzburg haben sich vorgenommen, an Hand der Salmonelleninfektion zu klären, was genau genetisch im Organismus passiert. Konkret: Welche Gene im Verlauf einer Infektion in Erreger (Salmonelle) und Wirtszelle (Mensch) aktiv werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Nature publiziert.

Was genau in einer Wirtszelle passiert, war nämlich bislang kaum bekannt. Mit den in Würzburg entwickelten Methode der Dualen RNA-Sequenzierung können die Forscher nun beobachten, wie menschliche Zellen auf das Bakterium Salmonella Typhimurium reagieren. Zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Infektion untersuchten sie eine bestimmte Molekülgruppe in den befallenen Zellen, die RNA.

Bakterien und ihr Wirt

RNA kommt in allen Lebewesen vor und übernimmt dort unterschiedliche Aufgaben. Wenn Zellen beispielsweise ein bestimmtes Protein herstellen müssen, benötigen sie dazu eine Bauanleitung, ein Gen. Dieses Gen wird bei Bedarf vielfach kopiert; jede dieser Kopien besteht dabei aus RNA. Die Wissenschaftler isolierten die komplette RNA aus den befallenen Zellen, also die vom Bakterium und dem Wirt zusammen.

Sie konnten so im Detail zeigen, welche seiner rund 5.000 Gene Salmonella zu verschiedenen Phasen der Infektion an- oder abschaltet. Gleichzeitig konnten sie nachweisen, wie die mehr als 40.000 Gene der Wirtszelle auf den Eindringling reagieren.

Bei ihrer Analyse fiel den Forschern ein bakterielles RNA-Molekül namens PinT auf, von dem Salmonella während einer Infektion mehr als hundertmal soviel produziert wie normalerweise.

Feintuning der Gene

Dabei enthält PinT gar keine Protein-Bauanleitung, sondern gehört zu einer speziellen Gruppe bakterieller RNAs, den so genannten sRNAs. sRNAs sind auffällig kleine RNA-Moleküle (das "s" steht für "small"), die für das Feintuning der Genaktivität zuständig sind: Sie sorgen beispielsweise dafür, dass die kopierten Protein-Bauanleitungen schnell wieder vernichtet werden können.

Ihre Rolle während Infektionen war bislang weitgehend unbekannt. "Wir haben eine Salmonella-Mutante hergestellt, die kein PinT produzieren kann", erklärt Alexander Westermann vom Würzburger Institut für Molekulare Infektionsbiologie. "Dann haben wir untersucht, wie sich diese Mutante bei einer Infektion verhält." Das Ergebnis war frappierend: Das Mini-Molekül beeinflusst augenscheinlich eine ganze Latte bakterieller Gene, vor allem so genannte Virulenzfaktoren.

Diese entscheiden darüber, wie aggressiv sich das Bakterium bei der Infektion durchsetzt. So gibt es beispielsweise Virulenz-Gene, die für die Invasion des Bakteriums in die Wirtszelle nötig sind. Weil es viel Energie kostet, produzieren Bakterien ihre Virulenzfaktoren nur dann, wenn sie sie wirklich benötigen. Auch minimieren die Erreger damit ihr Risiko, vorzeitig vom Immunsystem entdeckt zu werden.

Orchestrierter Prozess

PinT ist der Taktstock, der dabei für das richtige Timing sorgt. Ohne das Mini-Molekül kommt die fein orchestrierte Abstimmung der Virulenzfaktoren durcheinander. Diese Verschiebung hat wiederum massive Auswirkungen auf die Wirtszelle. "In unserer Studie waren fast ein Zehntel aller Wirtsgene betroffen, die nun – im Vergleich zu einer normalen Infektion – entweder vermehrt oder seltener abgelesen wurden", erläutert Westermann. "So wurden bestimmte Immungene deutlich stärker aktiviert als normalerweise.

"Die simultane RNA-Sequenzierung von Krankheitserreger und Wirtszelle erlaubt es erstmals, derart komplexe Kausalketten im zeitlichen Verlauf einer Infektion nachzuvollziehen. Die anfallende Datenmenge ist allerdings enorm. Bioinformatiker der Universitäten Würzburg und Leipzig entwickelten eigens für die Studie neue Algorithmen, mit denen sich die RNA-Sequenzen automatisiert und in ausreichender Geschwindigkeit verarbeiten lassen. (red, 21.1.2016)