Wien/Brüssel – Die EU-Kommission will die Ankündigung Österreichs, eine Obergrenze für Asylwerber einzuführen, weiterhin nicht kommentieren. Die Kommission kommentiere nicht "Vorschläge, die noch nicht auf dem Tisch liegen", oder "Was-wäre-wenn-Szenarios", sagte die Sprecherin von Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, Natasha Bertaud, am Donnerstag.

Umfang und Charakter der österreichischen Maßnahmen stünden noch nicht fest, außerdem habe Österreich selbst ein Rechtsgutachten dazu in Auftrag gegeben, erklärte die Sprecherin.

Im Rahmen des Schengen-Systems

EU-Chefsprecher Margaritis Schinas hatte zuvor erklärt, dass Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bereits Antworten gegeben habe. Juncker hatte am Mittwoch gesagt, es sei bisher "alles im Rahmen des Schengen-Systems".

Die EU-Kommission gab am Donnerstag keine Antwort darauf, ob eine Obergrenze für Flüchtlinge grundsätzlich mit EU-Recht und internationalen Verpflichtungen vereinbart ist. Außerdem machte sie auf Nachfragen keine Angaben darüber, ob Juncker und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) darüber kürzlich gesprochen haben.

Laut einem Newsletter des EU-Magazins "Politico" haben Juncker und Faymann am Freitag über die Begrenzung des Flüchtlingsstroms gesprochen. Demnach sagte Faymann Juncker zu, dass es keine fixe Obergrenze geben werde, sondern unverbindliche Zielwerte.

Zweifel bei Steinmeier

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat Zweifel an Österreichs Plänen. Bei einem Besuch in Polen verwies er am Donnerstag darauf, dass der Beschluss unter einigen rechtlichen Vorbehalten stehe. "Wie die Zielvorstellungen tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden sollen, das ist mir noch nicht hinreichend klar geworden."

So sei es ihm jedenfalls nach der Lektüre des Beschlusses und nach einem Gespräch mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ergangen. "Deshalb ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, um zu sagen, was dies für Österreich und an der österreichischen Grenze tatsächlich für Konsequenzen haben wird."

Grundsätzlich plädierte er nochmals für eine Lösung der Flüchtlingskrise in europäischem Rahmen. "Wir sind der Meinung, dass nationale Maßnahmen allein nicht ausreichen", sagte Steinmeier. "Es wird bei der Dynamik nicht möglich sein, mit einer einzigen Entscheidung oder einem Instrument das über Nacht zu verändern." Erforderlich sei ein "Bündel von Entscheidungen" auf nationaler und europäischer Ebene, in das auch Staaten wie die Türkei einbezogen werden.

Ärzte ohne Grenzen warnt

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen warnt vor den humanitären Folgen der von der Regierung angekündigten Asylwerber-Obergrenze. Franz Luef, Migrationsexperte von Ärzte ohne Grenzen Österreich, befürchtet, dass die Flüchtlinge damit wieder in die Hände von Schleppern getrieben werden. An die von der Regierung erhoffte abschreckende Wirkung glaubt er nicht.

Die Politik müsse sich "der humanitären Konsequenzen dieser Entscheidungen bewusst sein", sagt Luef: "Das wird nur dazu führen, dass alle Menschen auf der Flucht noch mehr Risiken ausgesetzt sind und noch mehr in die Hände von Schleppern gedrängt werden."(APA, 21.1.2016)