Beginnpunkt der Diskussionen um sexuelle Übergriffe ausländischer Männer: Kölner Domplatte zu Silvester.

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Die Vorfälle in Köln und Berichte über eine Vergewaltigung im Prater durch einen – wie vielerorts zu lesen war – afghanischen Asylwerber haben eine Mediendebatte über die Nennung der Herkunft Tatverdächtiger neu entfacht. Wann ist dies gerechtfertigt, wann sollten Journalisten darauf verzichten?

Im Ehrenkodex des Österreichischen Presserats heißt es unter Punkt sieben, dass "Pauschalverdächtigungen und Pauschalverunglimpfungen von Personen und Personengruppen unter allen Umständen zu vermeiden" seien. Jede Diskriminierung wegen des Alters, einer Behinderung, des Geschlechts sowie aus ethnischen, nationalen, religiösen, sexuellen, weltanschaulichen oder sonstigen Gründen sei unzulässig.

Abwägung im Einzelfall

Die bloße Nennung der Herkunft eines Täters würde nicht gegen den Ehrenkodex verstoßen, sagt dazu Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek zum STANDARD. Trotzdem müssten Journalisten im Einzelfall entscheiden, ob es notwendig und für die Geschichte wichtig ist, über die Herkunft eines Täters zu berichten. Das liege im jeweiligen Ermessenspielraum der Redaktion. Wird immer wieder die Herkunft betont, könne das zu Ressentiments führen. Kommt zur Nennung der Herkunft eine pauschale Verunglimpfung hinzu, dann sei das aber eindeutig ein Ethikverstoß.

Securitys gaben Herkunft an Boulevard weiter

Wie nun kam im Wiener Vergewaltigungsfall die Information, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen afghanischen Asylwerber handelte, an die Medien? Aus der Polizeipressestelle stammte sie nicht. Nationalitätsangaben würden in Pressemeldungen prinzipiell ausgespart, erläutert Polizeisprecher Thomas Keiblinger.

Tatsächlich berichtete die Polizeipressemeldung nur von einem "21-jährigen Tatverdächtigen". Dieser sei von "Mitarbeitern einer Securityfirma" festgehalten worden. Die Securitys hätten Herkunft und Status des Mannes an die Boulevardpresse weitergegeben, ist aus gut informierter Quelle zu erfahren.

Keine Probleme verursacht die Nennung der Herkunft eines Verdächtigen aus medienrechtlicher Perspektive. Hier sei "allein der Identitätsschutz von Opfer sowie Täter" relevant, sagt die Medienrechtsexpertin Maria Windhager. Die Frage hingegen, ob die Abstammung eines Verdächtigen Informationswert habe, sei "eine rein medienethische Abwägung".

Essenziell für Debatte

Diese bringt den Medienexperten Fritz Hausjell zu dem Schluss, "dass Herkunft und Status des Mannes im Prater-Fall nicht in die Berichterstattung gehören". Durch derlei Berichte entstehe der falsche Eindruck, dass Vergewaltigung herkunftsbedingt sei.

Anders, so Hausjell, sei dies im Fall des "in Mitteleuropa offenbar neuen Phänomens" der Gruppenbelästigung von Frauen durch ausländische junge Männer. Presserat-Geschäftsführer Warzilek sieht das ähnlich: Nach den Kölner Vorfällen sei die Herkunft der Täter "essenziell für die Debatte, hier gab es einen Sachzusammenhang".

Jedoch, so Warzilek, werde auch im Fall der Vergewaltigung in Wien debattiert, ob Asylwerber aus beispielsweise Nordafrika oder Afghanistan aufgrund von Herkunft und Erziehung Frauen leichtfertig sexuell attackieren. "In der derzeitigen Diskussion erscheint mir die Herkunftsnennung daher vertretbar." (Irene Brickner, Astrid Ebenführer, 21.1.2016)