Wien – Die verhärteten Fronten zwischen EU und Russland bremsen ein Projekt, das Europa dies- und jenseits des Ural zusammenrücken soll: den Bau der Gasleitung Nord Stream 2. Damit würde die Transportkapazität der bestehenden Leitung Nord Stream 1 verdoppelt. Am Mittwoch hat OMV-Chef Rainer Seele einmal mehr Unterstützung von der EU-Kommission eingefordert, damit das für Europa wichtige Projekt realisiert werden könne.

Nord Stream 1, bekannt auch als Ostsee-Pipeline, ist im Herbst 2011 in Betrieb gegangen. Sie ist auf 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas ausgelegt. Beide Röhren zusammen kämen auf eine Jahreskapazität von 110 Milliarden Kubikmeter. Allerdings war Nord Stream 1 zuletzt nur teilausgelastet, weil Opal, die Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung, gemäß den EU-Regeln nur zur Hälfte von Gazprom beansprucht werden darf. 50 Prozent der Leitungskapazität sind für andere Einspeiser reserviert.

Sorge um Transiteinnahmen

Seele drängt nun darauf, auch die andere Hälfte der Opal freizugeben. Wer immer Interesse habe, sollte Gas in die von Nordostdeutschland an die tschechische Grenze führende Leitung einspeisen dürfen. Vor allem Polen und die Slowakei sind strikt dagegen. Sollte die Rechnung Moskaus aufgehen, ab 2020 kein Gas mehr über die Ukraine, sondern durch die Ostseepipelines nach Westeuropa zu leiten, wären die Transiteinnahmen beider Länder weg, wie im Übrigen für die Ukraine auch.

"Wir müssen besser mit Brüssel kommunizieren", sagte Seele am Rande einer Gaskonferenz in Wien. Wenn das Projekt als ein europäisches wahrgenommen werde, fänden sich auch Investoren. Mit einer Aufstockung der Transportkapazität könnte, so die Hoffnung der OMV, der Knoten Baumgarten abgesichert werden. Der dort eingerichtete Gashub würde liquid bleiben. An dem Projekt Nord Stream 2, dessen Kosten auf etwas zehn Milliarden Euro geschätzt werden, ist die OMV mit zehn Prozent dabei. Mehrheitsaktionär ist Gazprom, weitere Anteilseigner sind Wintershall, Eon, Shell und Engie aus Frankreich.

Italiens Drängen

Zuletzt hatte Italiens Premier Matteo Renzi aufhorchen lassen, als er eine Beteiligung italienischer Firmen an Nord Stream für entgangene Aufträge bei South Stream forderte. Das Aus für das Pipelineprojekt durchs Schwarze Meer mit Abzweigungen nach Österreich und Italien ist von Präsident Wladimir Putin Ende 2014 verkündet worden – aus wirtschaftlichen Gründen und weil Brüssel keine Ausnahmegenehmigung gewähren wollte.

Für Carlo Malacarne, Chef des italienischen Gasnetz- und Gasspeicherbetreibers Snam, ist eine Beteiligung an Nord Stream 2 jedenfalls keine Option: "Ich wüsste nicht, was das für uns an Wertsteigerung bringen sollte."

Gazprom betont Verbundenheit

Erste Option für Gazprom, den weltgrößten Gaskonzern, bleibt Europa. Das wurde am Mittwoch bei der Gaskonferenz in Wien deutlich. Sowohl Gazprom-Aufsichtsratschef Viktor Zubkov als auch Elena Burmistrova, die neue Chefin von Gazprom Export, betonten die langen und guten "Gasbeziehungen", die selbst die Zeit des Kalten Krieges überdauert hätten. Europa habe einen steigenden Bedarf an Erdgas, Russland könne liefern. (stro, 21.1.2016)