Bild nicht mehr verfügbar.

Deutschlands Präsident Joachim Gauck bei seinem ersten Auftritt in Davos.

Foto: Reuters/Ruben Sprich

Dass Österreich ein Asyl-Limit einführt, sprach sich am Mittwochnachmittag auch in den Gängen des Kongresszentrums in Davos herum. Am Abend wurde es offiziell Thema. Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel stieg bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Migration direkt damit ein. "Diese Entscheidung wird in angrenzenden Ländern für große Diskussionen sorgen." Für ihn sei die Einführung einer Obergrenze ein Zeichen, dass einzelne Länder die Flüchtlingskrise nicht bewältigen können. "Dies ist das Signal, dass Länder wie Schweden, Deutschland und Österreich nicht in der Lage sind, das Flüchtlingsproblem allein zu lösen."

Anders als Kanzlerin Angela Merkel geht ihr Vize nicht mehr von einer europäischen Vorgangsweise aus. "Um ganz ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass wir zu einer europäischen Lösung kommen, bei der wir Flüchtlinge von den griechischen Inseln oder Italien auf alle Mitgliedstaaten verteilen können." Dafür gebe es bei der Mehrheit der EU-Staaten keine Bereitschaft.

Serbien nicht informiert

Am Podium sprach auch Serbiens Premier Aleksandar Vučić die Entscheidung in Wien an. Er sei nicht informiert worden. Anschließend sagte er zum STANDARD: "Wir wurden von der slowenischen Regierung informiert. Wir sind ja schließlich keine Nachbarn, da gab es keine Notwendigkeit", sagte er mit einem bitteren Unterton.

Zu Mittag hatte der deutsche Bundespräsidenten Joachim Gauck das Flüchtlingsthema in den Mittelpunkt seiner Rede in Davos gestellt. Den Anfang gestaltete er in seiner auf Deutsch vorgetragenen Rede wie ein Prediger: "Die Aufnahme Verfolgter ist ein Gebot humanitärer Verantwortung." Das dürfe auch etwas kosten. Europa erlebe im Moment eine "erzwungene Migration" und stehe damit vor der größten Belastungsprobe in seiner Geschichte.

Gauck will über Begrenzung sprechen

Schon bald kam Gauck aber auf "die Sorgen und Ängste" zu sprechen, die diese Migration auslöse. "Viele Bürger empfinden Zuwanderung weniger als Gewinn denn als Verunsicherung und den Verlust einer vertrauten Welt." Um hier Akzeptanz zu erreichen, müsse auch über Begrenzung gesprochen werden. "Gerade weil wir möglichst vielen Schutz bieten wollen, werden wir – so problematisch, ja, tragisch es sein kann – nicht alle aufnehmen können."

Eine Begrenzung sei nicht "per se unethisch", argumentierte der ehemalige Pfarrer. Sie könne "moralisch und politisch sogar geboten sein, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten". Deshalb suchten die Regierungen in Deutschland und anderen europäischen Staaten verstärkt nach Lösungen, um die Zahl der Flüchtlinge zu senken. Die politische Debatte in Deutschland verlaufe so, dass noch in diesem Jahr verschiedene Elemente zur Steuerung und Begrenzung zu erwarten seien, prophezeite Gauck. (Alexandra Föderl-Schmid aus Davos, 20.1.2016)