Das Lokal Bataclan, in dem Türsteher Didi dutzenden Menschen das Leben rettete. Zehntausende fordern nun seine Einbürgerung.

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Er nennt sich Didi, seinen Nachnamen will er nicht angeben. Er scheut das Rampenlicht und zeigt sich auch nicht im Bild. Aber seine Tat dringt langsam ans Tageslicht. Der 35-jährige Türsteher rettete im November, als drei Terroristen in das Pariser Konzertlokal Bataclan drangen und 90 Personen erschossen, zahlreiche Leben. Erst jetzt, zwei Monate nach der Blutnacht von Paris, wird das Ausmaß seines Handelns bekannt. Eine Petition, die in wenigen Tagen mehr als 38.000 Unterschriften gesammelt hat, verlangt, dass Frankreich dem Algerier die Staatsbürgerschaft verleiht.

Verdient wäre sie allemal. An jenem Freitag, dem 13., befand sich Didi vor dem Konzertlokal. Zuerst eröffnete das schwer bewaffnete Trio das Feuer auf die Caféterrasse vor dem großen Saal. "Es war sofort klar, das waren keine Feuerwerkskörper, auch kein Einbruch", erzählt er heute, "die wollten Leute töten."

"Ohne ihn wäre ich tot"

Didi hätte wie alle anderen davonrennen können – doch er blieb. Sein erster Gedanke galt den 1500 Gästen des ausverkauften Rockkonzertes. "Es war wie ein Reflex, dass ich in den Saal rannte, die Tür eines Notausgangs aufriss und die Leute zum Verlassen des Saals anhielt." Spätestens jetzt hätte sich Didi mit ihnen in Sicherheit bringen können. Doch der Türsteher, seit 2004 für die Sicherheit im Bataclan verantwortlich, wusste, dass der Ausgang sehr eng war. Ohne sich die Folgen zu überlegen, rannte er seitwärts durch den Saal und öffnete weitere Notausgänge ins Freie. Doch jetzt waren die Terroristen eingetroffen. Didi war wie die Umstehenden in der Falle. Er legte sich wie alle auf den Boden. Die, die noch lebten, stellten sich tot.

In dem Moment wurde Didi von einem Kollegen angefunkt. "Cyril an Didi, bitte kommen", schnarrte sein Walkie-Talkie. Der Anruf hätte sein Todesurteil bedeuten können. Doch Didi dachte nicht ans Sterben, sondern passte eine Gelegenheit zum Handeln ab. Als die Täter ihre Magazine nachluden, sprang er auf, rannte zum zehn Meter entfernten Notausgang, öffnete ihn und rief: "Schnell, kommt schnell." Die ersten Gäste retteten sich, auf die hinteren schossen die Terroristen; Didi versuchte mit anderen, die Verletzten ins Freie zu ziehen. Eine der Geretteten, Myriam, erklärte im französischen Fernsehen, sie sei in dem Inferno blind Didis vertrauenseinflößender Stimme gefolgt. Die Frau ist sich sicher: "Ohne ihn wäre ich tot."

Bescheidener Geehrter

Lanciert wurde die Petition für den "vergessenen Helden des Bataclan" von der Anti-Rassismus-Organisation Cran. Sie erinnert daran, dass auch die Charlie Hebdo-Anschläge im Jänner 2015 einen Helden hervorgebracht hätten, der aus der Immigration stamme: Lassana Bathily, ein 25-jähriger Angestellter des jüdischen Supermarktes, hatte mehrere Geiseln im Untergeschoß versteckt und dann die Polizei informiert. Sowohl der Malier Bathily als auch der Algerier Didi haben die gleiche Herkunft wie einzelne Terroristen, die auf Wehrlose schossen und deren Konterfeis um die Welt gingen.

Die Heldentaten ihrer mutigen Landsleute korrigieren das Bild. Auch deshalb heißt es in der Petition: "Es ist wichtig, den Jugendlichen in Frankreich positive Beispiele zu zeigen, mit denen sie sich identifizieren können." Und weiter: "Es wäre ein Zeichen für den Willen des französischen Staates, mit der Stigmatisierung einer gewissen Kategorie französischer Bürger aufzuräumen." Deshalb, so die Petition, solle beiden Männern zudem die Ehrenlegion verliehen werden.

Gemeinsam ist den Lebensrettern auch ihre Bescheidenheit. "Die wahren Helden sind die hunderten von Verletzten und dazu jene Angehörigen, die nun ohne Sohn, Tochter, Vater oder Mutter weiterleben müssen", erklärte Didi, der kürzlich geheiratet hat. Lassana – der heute als Angestellter eines Pariser Sportstadions für einen Monatslohn von 1400 Euro arbeitet – meinte vor einem Jahr schon, als ihm die Staatsbürgerschaft verliehen wurde: "Die wahren Helden sind die Leute, die nicht nur an einem Tag Leute retten, sondern für den Frieden kämpfen wie Nelson Mandela." (Stefan Brändle aus Paris, 19.1.2016)