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Stecken Renault und die Regierung unter einer Decke? Jedenfalls bleibt bei den Abgasproblemen einiges offen.

Foto: Reuters/Stephane Mahe

Renault ruft vorest 15.000 Exemplare des Modells Captur zurück. Ziel sei es, die Auspuffanlage neu "einzustellen", hieß es am Dienstag von offizieller Seite. Am Vortag hatte Vizechef Thierry Bolloré vor einer französischen Untersuchungskommission erklärt, dass es bei Eliminierung von Stickstoffdioxid Probleme gebe.

Er betonte zugleich, dass Renault die diversen Abgasnormen respektiere. Von einer absichtlichen Täuschung könne keine Rede sein. Der Defekt liegt laut Renault-Darstellung hauptsächlich bei einem Abgasventil, das nur bei Temperaturen zwischen 17 und 35 Grad richtig funktioniert und die angegebenen Testwerte erreicht.

Das fiel bisher nicht auf, da das Genehmigungsverfahren keine außerordentlichen Temperaturen voraussetzt. Bloß entsprechen diese Testbedingungen nicht immer der Wirklichkeit: In der Stadt Paris ist es zum Beispiel während acht von zwölf Monaten kühler als 17 Grad.

"Nicht seriös"

Ein Vertreter der französischen Untersuchungskommission meinte seinerseits, dass die Abgastests "nicht seriös" seien. Renault habe nach aktuellem Informationsstand anders als Volkswagen keine absichtliche Täuschung vorgenommen. Dafür scheint der Hersteller durchaus gewusst zu haben, dass die erzielten Messwerte nicht den realen Alltagsbedingungen entsprächen.

Das erwähnte Kommissionsmitglied stellte deshalb in der Zeitung Le Monde anonyme die rhetorische Frage: "Ist es nicht ebenso gravierend, den verschmutzenden Charakter seiner Fahrzeuge zu verschweigen, wie wenn man Mogelsoftware installiert?" In Pariser Medien wird mit Nachdruck gefragt, seit wann Renault wohl "gewusst" habe; schließlich habe der Hersteller den technischen Fehler erst letzte Woche zugegeben, nachdem eine Gewerkschaft eine Hausdurchsuchung publik gemacht habe. Der Aktienkurs von Renault sackte darauf um zeitweise mehr als 20 Prozent ab.

Auch Espace betroffen?

Pariser Autoexperten vermuten, dass auch Modelle wie Renault Espace zurückgerufen und überprüft werden müssten. Aus Renault-Kreisen verlautete inoffiziell, dass bis zu 700 000 Autos betroffen sein könnten. Offiziell wurde aber dementiert. Die französische Umweltministerin und Präsidentin der nationalen Abgas-Kommission, Ségolène Royal, erklärte am Dienstag nur generell, die Renault-Tests seien "nicht ausreichend" gewesen und müssten unter Fahrbedingungen wiederholt werden.

Ansonsten lobte sie die Kooperationsbereitschaft des Herstellers. Da die französische Regierung selber 19 Prozent des Renault-Kapitals hält, ist von ihrer Seite kein allzu offensives Vorgehen zu erwarten. Wirtschaftsminister Emmanuel Macron bestätigte diese Interessenlage am Dienstag indirekt, als er erklärte, der Staat werde die kürzlich – und nur provisorisch – zugekauften 4 Prozent Kapitalanteile erst dann wieder verkaufen, wenn sich der Börsenkurs des Autobauers erholt habe.

Renault will bis Ende März neue Messventile und Nachbesserungen bei dem betroffenen Dieselmotor bekanntgeben. Die französische Untersuchungskommission gedenkt nach Renault auch Mercedes und Opel unter die Lupe zu nehmen. (Stefan Brändle aus Paris, 19.1.2016)