Bild nicht mehr verfügbar.

Ramsan Kadyrow bezeichnet die russische Opposition als Feinde des Volkes und Verräter. Diese fordert nun, dass er des Amtes enthoben wird.

Foto: AP Photo/Musa Sadulayev

In Russland eskaliert ein Streit zwischen Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow und der Opposition. Begonnen hatte die verbale Auseinandersetzung in der vergangenen Woche, als sich Kadyrow am Vorabend des "Tags der russischen Presse" bei Journalisten in Grosny beklagte, dass die außerparlamentarische Opposition versuche, die Wirtschaftskrise in Russland zu nutzen, um Wladimir Putins Politik zu kritisieren.

Derartige Oppositionelle seien als "Verräter und Volksfeinde" zu behandeln, resümierte der Tschetschenenführer. Aus der Geschichte wissen die Russen, wie so eine Behandlung aussah: In der Stalin-Ära wurden "Volksfeinde" standrechtlich erschossen. Die Opposition nahm die Äußerung daher als Drohung wahr und ging auf die Barrikaden. Bürgerrechtler forderten Kadyrows Ablösung, und ein oppositioneller Abgeordneter des Petersburger Parlaments klagte bei der Staatsanwaltschaft.

Die heftigste Reaktion kam jedoch aus Sibirien: Konstantin Sentschenko, Stadtratsmitglied von Krasnojarsk, fühlte sich persönlich verunglimpft und schoss verbal zurück, indem er Kadyrow auf seiner Facebook-Seite als "Schande Russlands" bezeichnete. Der Statthalter in Grosny lasse sich als "Held Russlands" und Mitglied der Akademie feiern, obwohl er einst gegen Russland kämpfte und nur drei Jahre Schulbildung besitze, wetterte Sentschenko. Er musste allerdings bald zurückrudern: Tags darauf entschuldigte sich der eingeschüchterte Sentschenko für seinen Ausfall. Er habe nicht gewusst, wie groß Kadyrows Autorität in Tschetschenien sei, räumte er ein.

Ein Fraß für Kadyrows Hund

Denn dort ging die Kampagne danach erst richtig los: Während Kadyrow die Entschuldigung "großzügig" akzeptierte, starteten seine Gefolgsleute den Twitter-Hashtag #KadyrowStolzRusslands. Parlamentschef Magomed Daudow verglich liberale Oppositionelle, Bürgerrechtler und Journalisten mit Straßenkötern und drohte ihnen, sie von Kadyrows Schäferhund zerfleischen zu lassen.

Alexej Wenediktow, Chefredakteur bei Echo Moskaus, forderte daraufhin vorsichtshalber eine bessere Bewachung für den Sender. Laut Wenediktow hängen die Drohungen Kadyrows mit den Untersuchungen des Nemzow-Mords zusammen. Die Spuren in dem Fall des vor fast einem Jahr erschossenen Oppositionspolitikers führen nach Tschetschenien in die direkte Umgebung Kadyrows. Bisher hat sich die Führung in Grosny aber lästigen Befragungen widersetzen können.

Auch im neuen Skandal drohen Kadyrow keine Konsequenzen, weshalb er nochmals gegen seine Feinde stichelte: Seine Äußerungen seien keine Drohungen gewesen. Wer sie so verstanden habe, gehöre ins Irrenhaus, er habe noch Gummizellen frei, ätzte er. "Mit Spritzen werden wir nicht geizen. Wo eine Injektion verschrieben ist, können wir zwei verabreichen", sagte er. Der Kreml schwieg und bestätigte so ein altes Kadyrow-Zitat: "Solange Putin mich unterstützt, kann ich machen, was ich will", wusste der Tschetschenenchef schon vor Jahren. (André Ballin aus Moskau, 19.1.2015)